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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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irgendwie, total widerlich. Sie wissen ja, da gibt’s so eine Phase, wo sie nicht reden können – da müssen sie kreischen. Und sie essen nichts; sie kotzen nur. Aber in Wirklichkeit, hab ich gemerkt, sind sie genau wie Erwachsene. An manchen Tagen sind sie guter Laune, und an manchen sind sie mies drauf. Und wir können reden! Wir laufen durch die Gegend, und ich erzähl ihr was. Sie versteht es. Unser Verstand funktioniert ganz ähnlich.« Rune schaute nach Courtney. »Wenn sie mal groß wird, wird sie genau wie ich.«
    »Ich kenne natürliche Mütter, die sich weniger glücklich mit ihren Kindern anhören.«
    Boggs ließ sich das Bud schmecken, als sei es ein edler Wein.
    Rune hielt ihm die Tüte mit Käsebällchen hin. Er schüttelte den Kopf. »Muss schön sein, wenn man jemanden hat, der mit einem zusammenlebt«, sagte er. »Ich hatte ’n paar Freundinnen, von Zeit zu Zeit, aber verheiratet war ich nie. Ich weiß nicht, ich glaube, das käme mir ziemlich komisch vor. Mit jemandem zusammenleben, wenn man’s nicht muss. Drinnen hat man natürlich keine andere Möglichkeit.«
    »Drinnen?«
    »Im Knast.«
    »Oh, klar … Na ja, normalerweise hab ich Mitbewohnerinnen. In New York ist das sozusagen ein notwendiges Übel, bei den Mieten. Aber ich hab auch schon oft alleine gewohnt. Ich hab mich dran gewöhnt. Das ist wie ein Talent, an dem man arbeitet.«
    »Ist das nicht manchmal einsam?«
    »Klar. Ich erinnere mich an Nächte, da hab ich dagesessen und mir auf ’nem Schwarz-Weiß-Fernseher Wiederholungen von Gilligans Insel angeschaut -kennen Sie das, mit ’nem Kleiderbügel als Antenne? Und ich hab geschaut, und da hör ich, wie ein Stück Papier unter der Tür durchgeschoben wird. Und ich will schon aufstehen und gucken, was es ist, aber dann hab ich’s gelassen. Weil ich wusste, dass es nur ’ne Speisekarte von ’nem Chinesen ist, die ein Verteiler unter allen Türen in dem Haus durchgeschoben hat. Aber wenn ich nicht nachschaue, dann wär’s vielleicht ’ne Nachricht von jemandem gewesen. Vielleicht stand ja drauf: ›In drei-G gibt’s ’ne Party. Jede Menge Männer. Komm in Verkleidung.‹ Oder es wäre was Geheimnisvolles gewesen. ›Triff mich um Mitternacht bei Vollmond an der Ecke Avenue A und 9 th Street.‹«
    Boggs schaute sie an und versuchte, aus all dem schlau zu werden.
    »Aber nix, jedes Mal war’s nur ’ne Speisekarte. Und ich setz mich wieder vor die Sitcoms und die Werbung. Aber die Höhen und Tiefen – die machen ja das Leben zu dem, was es ist.«
    Sie schlug sich gegen die Brust. »Ich bin alter Bauernadel aus Ohio.«
    »Da gibt’s noch was, was ich gern sagen würde …«, sagte Boggs.
    Rune hatte sich schon gefragt, ob er darauf zu sprechen kommen würde, wie sie das mit dem Schlafen regeln sollten, und so hörte sich das nun an. Aber genau in diesem Moment rief Courtney: »Ich will Saft.«
    »Sag ›bitte‹.«
    »Ich will bitte.«
    »Sehr witzig«, rief Rune. »Gleich, mein Schatz.« Zu Boggs sagte sie: »Ich hab Appetit auf was Richtiges zum Essen. Ich hab noch ein paar übrig gebliebene Whopper im Kühlschrank. Lust?«
    »Klar. Machen Sie mir zwei warm.«
    Rune stand auf, um ins Hausboot zu gehen. Plötzlich blieb Boggs stehen. Er drehte sich um und reckte den Kopf wie ein Hund, der eine Ultraschallpfeife hört. Er hob das Gesicht zum Himmel. Seine Nasenflügel blähten sich weit, als er tief die Luft einsog. »Was is’n das?«
    »Was?«
    »Die Gerüche«, sagte er.
    »Tja, nach Parfüm stinkt’s in New York nicht gerade.«
    »Nein, das mein ich nicht. Was ich meine, ist, dass da ’n ganzer Haufen ist. Tausend Gerüche.«
    Sie schnüffelte und schüttelte den Kopf. »So viele kann ich nicht rausriechen.«
    Boggs sog die Luft erneut ein. »Wenn man Drinnen ist, gibt’s nur ein paar wenige Gerüche. Desinfektionsmittel. Zwiebeln oder Fett aus der Küche. Frühlingsluft. Sommerluft … Irgendwie gewöhnt man sich an sie. Aber hier – was riech ich hier?«
    »Verfaulten Fisch und Hundekacke und Müll und Autoabgase.«
    »Nee. Was ich rieche, ist Freiheit.«
    Eine Kartoffel, zwei Kartoffeln, drei Kartoffeln, vier …
    Jack Nestor spazierte gemächlich über die alten Docks am Hudson River und dachte nach: In Florida sollten die Leute auf Booten wohnen. Besonders im südlichen Florida, in der Nähe der Everglades stellt man fest, dass es sogar an Land überall Wasser gibt und dass es Teil des täglichen Lebens ist. Häuser werden auf Pfählen gebaut, und jeder hat

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