Hard News
ich noch«, sagte Rune. »Aber ich muss Sie noch mal interviewen. Ich möchte so schnell wie möglich anfangen.«
Boggs lachte. »Na, da brauchen Sie nicht mal zu fragen. Ich würd Sie allerdings zuerst noch um was bitten.«
»Klar.«
»Meinen Sie, wir könnten irgendwo ’n Bier auftreiben? Mein letztes ist ’ne Weile her, und da hätt ich echt Lust drauf.«
24
Die Plastiktüte klingelte wie Schlittenglocken. Sie enthielt: ein Heineken, ein Moosehead, ein Grolsch, zwei Budweiser ( »Bei weitem nicht das beste, aber das war mein erstes – was dagegen, wenn ich mir zwei mitnehme, aus sentimentalen Gründen, wissen Sie?«), ein Tecate, und ein Sixpack Corona. Rune hatte zudem noch ein paar Dosen Amstel gekauft, aber Light-Bier hatte Randy Boggs im Leben noch nicht getrunken. »Glaub nicht, dass ich Lust hab, meine Freiheit mit so was zu feiern.«
Sie bogen in die Christopher Street ab und machten sich auf in Richtung Hudson. An der Ampel warteten sie auf Grün. Als es so weit war, überquerten sie den breiten West Side Highway, wobei Courtney fest Runes Hand hielt und nach links und rechts schaute, wie Rune es dem kleinen Mädchen beigebracht hatte.
»Äh, wo gehen wir denn hin?«, fragte Boggs. Er schaute unsicher in Richtung des menschenleeren Ufers.
Rune fühlte sich als Südstaatlerin, wenn sie mit Boggs zusammen war, und antwortete: »Da herüben.«
Er schaute in die Richtung, in die sie genickt hatte, und lachte. »Dorthin?«
Sie gingen über die gelbe Gangway aufs Hausboot. Boggs schaute sich grinsend um. »Da brauch ich wahrscheinlich gar nichts sagen zu, nehm ich an. Wenn Sie hier wohnen, dann müssen Sie inzwischen schon alle möglichen Kommentare zum Hören gekriegt haben.«
Drinnen ging Boggs schüchtern von Raum zu Raum, um sich alles anzusehen. Vorsichtig berührte er die Stofftiere, die Spitzendeckchen, die Rune über die Lampen gehängt hatte, die rosa und blauen Kristalle, ihre Bücher. Gelegentlich lachte er, wenn er versuchte, etwas zu identifizieren – einen Wimpernkrümmer oder einen kaputten altertümlichen Apfelspalter, den Rune gekauft hatte, weil sie ihn für eine mittelalterliche Waffe gehalten hatte.
In der Küche stellte sie das Bier beiseite und bereitete das Essen zu, das sie gekauft hatten – knusprige Käsebällchen und Büchsen mit mexikanischem Bohnendip und kleine Shrimpcocktails in Bechern mit abziehbarem Deckel. »Die liebe ich. Und die Becher kann man später auch noch als Saftgläser verwenden.«
»Saft«, sagte Courtney. Rune goss dem Mädchen einen Ocean Spray ein, dann füllte sie einen Pu-der-Bär-Teller mit Bohnendip und gab ihr einen Löffel.
»Das ist eklig«, sagte die Kleine, als sie hineinschaute. »Ja, ist es.« Aber sie nahm das Besteck und fing an, kleine Häufchen Dip aufzupicken und auf den Löffel zu schmieren.
»Vor Gästen spielt sie den Kasper«, sagte Rune zu Boggs.
»Court – du weißt, wie’s geht«, fügte sie streng hinzu.
»Ekliges Essen.« Courtney verzog die Nase, fing aber an, manierlich zu essen.
»Serviette«, ermahnte Rune sie, und Courtney nahm eine Papierserviette von einem Stapel in der Mitte des Tisches und legte sie sich auf den Schoß. Dann aß sie weiter.
Boggs beobachtete die beiden. »Sie sind irgendwie zu jung für ’ne Mutter. Wer ist der Vater?« Er lachte. »Außer mir, mein ich.«
»Lange Geschichte.« Dann sagte sie: »Mit welchem Bier wollen Sie anfangen?«
»Ich glaub, ich fang mit ’nem Bud an. ›Kauft amerikanisch.‹ Als ich vor drei Jahren in den Knast kam, haben das alle gesagt. ›Kauft amerikanisch.‹ Aber niemand macht besseres Bier als die Mexikaner. Das Corona heb ich mir für den Nachtisch auf.«
»Kommen Sie mit.« Rune führte ihn hinaus auf Deck, wo sie ungestörter waren, Courtney aber immer noch im Blick hatten.
»Ich wollte da drinnen nichts sagen. Vor ihr.« Sie erzählte ihm, wie Claire das Mädchen im Stich gelassen hatte.
Boggs schüttelte den Kopf. »Ich glaub, ich hab noch nie jemanden getroffen, der so was gemacht hätte.«
»Claire ist total unreif.«
»Ich hatte selber nie Kinder.« Er grinste. »Jedenfalls nicht dass ich wüsste. Vaterschaftsklagen hat’s keine gegeben.«
»Ich mit ’nem Kind«, sagte Rune kopfschüttelnd. »Sie kennen mich nicht so gut, aber das ist ganz klar Rollenumkehrung.«
»Für mich sieht’s aus, als kämt ihr beiden ganz gut miteinander zurecht.«
Rune ließ den Blick schweifen. »Ach, sie ist Spitze. Ich hab immer gedacht, Kinder wären,
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