Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
Stille wie in einer Kirche. Irgendwo tropfte ein Wasserhahn, und das leise Ping! , wenn der Tropfen auf die Edelstahlspüle traf, war das Einzige, was ich hörte. Auf Zehenspitzen schlich ich durch den hallenartigen Hauptraum des Lofts und suchte nach meiner Cousine oder irgendwelchen Hinweisen, wohin sie gegangen sein könnte.
Petra hatte sich keine große Mühe gegeben, den Loft zu möblieren. Sie hatte eins dieser großen, sackartigen Polstersofas, das mit maulwurfsfarbenem Jeansstoff bezogen war. Ein überdimensionierter Teddybär saß in der Mitte und starrte mit traurigem Lächeln zum Fenster. Seine weit aufgerissenen Plastikaugen gingen mir auf die Nerven, und nach einer Weile kippte ich ihn aufs Gesicht.
Petras Fernseher stand genauso auf einem Rolltisch wie der Computer. Außerdem gab es noch einen Sessel, der so ähnlich aussah wie das Sofa. Vorhänge hatte sie nicht für die lange Fensterfront, nur die Jalousien, die ohnehin zur Wohnung gehörten.
Abgesehen von dem Abend, als ich ihre Tür für sie aufgesperrt hatte, war ich noch nie hier gewesen, deshalb hatte ich keine Ahnung, ob etwas fehlte. Pillen oder Medikamente fand ich keine im Bad, aber die elektrische Zahnbürste und der Waterpik standen noch da. Ihre Zahnpastatube war sorgfältig vom Ende her aufgerollt.
In der Schlafecke standen ein Futon und eine Kommode. Ihre Kleider lagen teils auf dem Bett, teils hingen sie auf Bügeln im Schrank. Einige Stücke waren heruntergefallen.
Neben dem Bett stand ein Korbmöbel, das Bücher, Zeitschriften und eine Schachtel Kondome bereithielt. Natürlich hätte ich gern gewusst, ob sie einen Freund hatte oder ob die Schachtel nur eine Vorsichtsmaßnahme war. Ich blätterte im Tagebuch des Don Juan und hoffte, dass vielleicht das Tagebuch von Petra Warshawski herausfallen würde, aber ich fand keinerlei handschriftliche Notizen von ihr, ja nicht einmal ein Scheckbuch. Aber bei jemandem aus der Millennium-Generation wusste man natürlich nicht, ob das bedeutete, dass sie ihr Scheckbuch eingesteckt hatte oder ob sie ihre Bankgeschäfte online erledigte.
Ich hatte vor allem gehofft, ihren Laptop zu finden, um zu sehen, was sie für E-Mails geschrieben hatte. Sie kommunizierte zwar im Wesentlichen per SMS , aber in ihrem Mail-Account waren vielleicht längere Dokumente gespeichert, die einen Hinweis darauf gaben, was sie geplant hatte. Zumindest hätte ich feststellen können, was sie für Websites besucht hatte. Aber der Laptop war nicht in der Wohnung.
Der Hauptraum ging in eine Küche über, die mit einer gekachelten Arbeitsinsel und einem großen Herd mit Ceranflächen, Backofen, Grill und riesiger Dunstabzugshaube ausgestattet war. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass meine Cousine mit dieser Superküche viel anfangen konnte. Ihr Kühlschrank enthielt jedenfalls nichts außer zwei Flaschen Weißwein und ein paar Blaubeer-Joghurts. Morgens griff sie sich wahrscheinlich einen Joghurt und aß ihn im Bus. Mittags holte sie sich ein Sandwich und aß es am Schreibtisch. Und abends ging sie mit ihren Kollegen und Freundinnen zusammen zum Italiener, Mexikaner oder Thailänder. Dachte ich.
Neben dem Kühlschrank gab es eine Tür, die auf eine kleine Terrasse und die hintere Treppe hinausführte. Als ich sie aufzuziehen versuchte, schwankte sie heftig und fiel mir dann fast auf den Kopf. Ich konnte gerade noch zur Seite springen.
Der Krach und der Schock … als ich wieder zu mir kam, lehnte ich zitternd am Herd. Und erst als mein Herz sich etwas beruhigt hatte, sah ich, dass meine rechte Hand die schussbereite Pistole umklammerte. Ich hatte sie gezogen, ohne es selbst zu bemerken.
Wer immer durch diese Tür gekommen war, hatte sich nicht die Mühe gemacht, mit Schraubenziehern, Haken oder Schlüsseln zu arbeiten. Mit einem Stemmeisen hatten der oder die Täter die Tür aus den Angeln gerissen.
Was hatten sie mitgenommen? Den Laptop? Meine Cousine? Gefesselt? Hatten sie sie bedroht? Ich schob die Tür beiseite und ging die Hintertreppe hinunter. Auf einem Treppenabsatz lagen ein paar Zigarettenstummel, aber die sahen alt aus. Sie stammten von jemandem, der zum Rauchen vor die Tür geschickt worden war, nicht von jemandem, der von hier aus die Wohnung beobachtet hatte. Die Treppe endete auf einem Hinterhof, der durch einen hohen Maschendrahtzaun von einem großen Parkplatz und der Ausfahrt zur Straße getrennt war. Die Tür in diesem Zaun war intakt, aber die Einbrecher hatten vielleicht einfach gewartet,
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