Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
kaufte ein Joghurteis, fuhr mit einer Rolltreppe in eines der Bürogebäude und mit einer anderen wieder hinunter und achtete sorgfältig auf meine Umgebung. Aber ich sah weder vor noch hinter mir jemals das gleiche Gesicht. In einem anderen Geschäft kaufte ich ein rotes CHICAGO -Sweatshirt für Männer und streifte es über mein Leinenjackett. Ich fühlte mich ziemlich eingezwängt und kam mir vor wie eine afghanische Burka-Trägerin, aber zumindest erkannte man mich nicht sofort.
Schließlich steuerte ich – immer noch unter der Erde – mein ursprüngliches Ziel an: die Illinois Central Station. Auf den nächsten Zug nach South Chicago musste ich zwanzig Minuten warten. Ich kaufte mir eine Fahrkarte und lungerte in der Nähe der Treppe herum, die zum Bahnsteig führte. Als der Zug aufgerufen wurde, wartete ich bis zum letzten Moment, ehe ich durch die Schwingtüren ging, die Treppe hinunterrannte und in den Zug sprang. Ich glaubte, dass ich allein war, aber genau konnte man das ja nie wissen.
Die lange Fahrt nach South Chicago war wie eine Zeitreise. Als Kind war ich so oft mit meiner Mutter auf dieser Strecke gefahren. Als ich an der University of Chicago vorbeikam, musste ich daran denken, dass meine Mutter unbedingt gewollt hatte, dass ich an dieser Uni studierte. »Du sollst nur das Beste haben, Victoria«, sagte sie immer, wenn der Zug an dieser Station hielt und die Studenten ausstiegen.
91ste Straße. Endstation. Die Ansage des Schaffners klang irgendwie hoffnungslos. Hier ist das Leben zu Ende . Von der Endstation bis zu unserem alten Haus waren es vier Blocks, die ich zu Fuß zurücklegte.
Señora Andarras Enkel und seine Freunde waren heute zum Glück nicht in Sicht. Nur ein paar hilflos aussehende alte Männer saßen auf einer Gartenmauer und tranken aus einer Flasche in einer braunen Papiertüte. Irgendwo wummerten die Bässe aus der Stereoanlage eines vorbeifahrenden Autos.
Das Wohnzimmerfenster im Haus meiner Kindheit war mit Brettern vernagelt. Aber zu meiner Beruhigung sah ich, dass die kleinen farbigen Scheiben des Oberlichts über der Haustür noch heil waren.
Ich ging den Gartenweg hinauf und klingelte. Nach ein paar Minuten, in denen ich mich schon fragte, ob sie vielleicht beim Einkaufen war, machte Señora Andarra mir auf, soweit die kräftige Kette das zuließ. Ich zeigte auf das Oberlicht. »Esta ventana« , sagte ich in meinem schlechten Spanisch. »Mi madre amó esta ventana también.«
Die Tatsache, dass meine Mutter das Oberlicht sehr geliebt hatte, beeindruckte Señora Andarra nur wenig. Aber zumindest schlug sie die Tür auch nicht gleich wieder zu. In einer wilden Mischung aus Spanisch, Italienisch und Englisch versuchte ich zu erklären, dass ich Detektivin sei und ihr ein paar Fotos zeigen wollte. Könnte sie sich vielleicht die Bilder ansehen und mir sagen, ob sie die abgebildeten Personen schon einmal gesehen hatte? Besonders in der Nacht, als die Rauchbombe durchs Fenster kam?
Während ich das alles erklärte, starrte sie mich mit gerunzelter Stirn durch den Türspalt an. Ihr braunes Gesicht und ihre schwarzen Augen zeigten wenig Entgegenkommen. Aber als ich mit meiner Geschichte fertig war, nahm sie die Mappe.
Ganz wie ich gefürchtet hatte, erkannte sie Petra sofort. »¿Su hija?« , fragte sie.
Ich hatte es satt, dass alle Leute Petra für meine Tochter hielten, deshalb erklärte ich noch einmal, dass sie meine Cousine sei. »Mi prima. ¿Y los hombres?«
Ich hatte das Gefühl, dass sie sich das Foto von Alito und Strangwell ein bisschen länger betrachtete als die anderen, aber ich war mir nicht sicher. Am Ende schüttelte sie den Kopf und sagte, sie hätte keinen von ihnen je gesehen.
34
Die Jungs im Hinterzimmer
Als ich im Zug zurück nach Norden saß, rief ich Conrad Rawlings vom IV . Distrikt an. Er war natürlich ärgerlich, dass ich eine Zeugenvernehmung in seinem Revier durchgeführt hatte, ohne ihn vorher zu fragen. Aber er hatte im Fernsehen von Petras Verschwinden gehört, und die Tatsache, dass sie am Tatort gewesen war, interessierte ihn mehr als mein Verstoß gegen ungeschriebene Gesetze.
»Gibt es noch jemanden, von dem du denkst, dass er am Tatort war? Ich meine, falls du zufällig Lust hast, mit mir darüber zu reden …?«
Ich ignorierte den Sarkasmus in seiner Stimme. »Ich habe Señora Andarra ein Foto von Larry Alito und Les Strangwell gezeigt, aber sie hat gesagt, sie erkennt sie nicht.«
»Buchstabier mal die Namen.«
Ich hörte, wie
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