Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
selbst nicht genau, was der Strangler meint. Aber er sagt, ich müsste es unbedingt ausgraben, und ich weiß einfach nicht, was er will.
Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass ich meiner Cousine hinterherspionieren soll. In gewisser Weise macht das echt Spaß, weil sie ja schon seit Ewigkeiten Detektivin ist. Da ist es gar nicht so einfach, wenn man schlauer sein will als sie. Es ist ein bisschen wie Spy vs. Spy . Aber meistens gefällt es mir gar nicht, weil der Strangler sagt, ich dürfte niemand vertrauen. Er sagt, wenn ich auch nur einem einzigen Menschen sage, wonach ich suche, könnte das Menschen das Leben kosten. Besonders, wenn ich mit meiner Cousine darüber rede. Er behauptet, sie würde alles daran setzen, den Leuten wehzutun, die mir wichtig sind, und ich weiß, dass sie total durchdreht, wenn sie wütend ist. Sie hat diesem Obdachlosen das Leben gerettet, aber als ich das Kleid ihrer Mutter nicht wie eine Reliquie behandelt habe, hätte sie mich fast umgebracht. So, und jetzt könnt ihr verfolgen, wie Campaign Girl zum Undercover Girl wird.«
Danach verging fast eine Woche, ehe Petra ihr letztes Posting verfasst hatte.
»Kann man jemanden eigentlich dafür verantwortlich machen, wenn er etwas sagt, von dem er gar nicht weiß, dass es ein großes Geheimnis ist? Und woher soll man wissen, wer Freund oder Feind ist? Ich weiß es schon lange nicht mehr. Ich wünschte, ich wäre nie nach Chicago gekommen. Aber jetzt ist es zu spät. Nach Hause gehen kann ich nicht mehr.«
Ich lehnte mich auf meinem Bürostuhl zurück und rieb mir die Augen. Petra, die immer alles hinausposaunte, was sie wusste, hatte etwas gesagt, das Strangwell alarmiert hatte. Oder jemand anderen in ihrer Umgebung. Großalarm DEFCON 3. Ich hörte förmlich die Sirenen in Strangwells Büro heulen.
Was den Alarm ausgelöst hatte, wusste ich nicht. Es konnte die Tatsache sein, dass ich ihre Wohnung für sie aufgesperrt hatte, aber auch mein Besuch bei Johnny Merton. Beides hatte sie ihren Mitstreitern bei der Wahlkampagne lautstark verkündet, die Sache mit Johnny Merton sogar bei der Spendenparty am Navy Pier. Und wer ihre Postings auf Myspace las, wusste genau, was sie vorhatte. Ich stellte mir vor, wie der Strangler alles verfolgte, was sie so aufschrieb. Er konnte jeder dieser fünfhundert »Freunde« sein, die im tiefen Wasser lauerten wie der weiße Hai, während sie ahnungslos oben herumplanschte.
Der Streit, den ich wegen des Kleids mit ihr gehabt hatte, tat mir jetzt leid. Mein Ärger hatte ihr Angst gemacht und einen Graben zwischen uns aufgerissen. Mein Vater hatte immer gesagt, mein Jähzorn würde mir noch eine Menge Schwierigkeiten machen, und natürlich hatte er recht gehabt. Ich hatte mir seine Worte nur nie zu Herzen genommen.
Ich musste Petra finden. Aber ich hatte keine Ahnung, wo ich mit meiner Suche anfangen sollte. Ich fühlte mich wie ein Nashorn, das krachend durchs Unterholz bricht. Leicht zu erkennen und in Zeiten der Gefahr als Verbündeter verdammt nutzlos.
Um herauszubekommen, worum es bei alldem gehen könnte, machte ich eine Liste der Dinge, für die Petra Interesse gezeigt hatte und die mir an ihr aufgefallen waren.
Johnny Merton und die Anacondas.
Das Haus in der Houston Street, das Petra beobachtet hatte, als die Ganoven eine Rauchbombe durchs Fenster geworfen hatten.
Der Nellie-Fox-Baseball.
Die Frage, ob mein Vater ein Tagebuch hinterlassen hatte.
Ihr nächtlicher Auftritt im Freedom Center, als ich Beweismaterial sammeln wollte.
Ihr ängstliches Flüstern, als sie sagte, sie könne nicht nach der Baufirma suchen, die das ausgebrannte Apartment von Schwester Frances leer geräumt hatte.
Es war jetzt vier Uhr morgens. Ehe mich Rose Heberts Anruf geweckt hatte, hatte ich sieben Stunden geschlafen. Trotzdem war ich zu erschöpft, um weiterzumachen. Ich ging in meinen kleinen Ruheraum, schob die heruntergerissene Matratze zurück auf die Liege und legte mich hin. Ohne auch nur an die Gefahr eines weiteren Einbruchs zu denken, schlief ich ein.
39
Ein anderer Wagen, ein neuer Unterschlupf
Im Traum stand Miss Claudia vor mir und sagte mit einfachen, klaren Worten: »Lamont kommt zurück. Das sagt mir meine Bibel.« Sie wedelte mit der roten, ledergebundenen Familienbibel unter meiner Nase herum. Dutzende von Lesezeichen flogen heraus. Als ich die Hände ausstreckte, um sie zu fangen, verwandelten sie sich in Fotos und fielen zu Boden, ehe ich sie erreichte.
Ich dachte, wenn ich sie nur in
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