Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
uns und drehte sich auch nicht um. Den Mann, der mir mit dem Besen gedroht hatte, konnte ich nirgends entdecken.
»Die Pfeife bringt alle Leute zum Springen, wenn man sie nicht kennt«, sagte einer der Schachspieler. Er hatte eine spiegelnde Glatze und eine Wampe, über der sein T-Shirt mit dem Logo der Maschinisten-Gewerkschaft spannte.
»Haben Sie sich verlaufen?« Sein Partner war älter und magerer, seine Haut hatte die Farbe von staubigem Ebenholz.
»Schon oft. Im Moment suche ich Curtis Rivers.«
Der Mann hinter der Theke griff nach dem zweiten Schuh, drehte sich aber immer noch nicht zu mir um.
»Steuerfahndung oder Vaterschaftsklage?«, fragte der mit der Wampe. Der kleine Scherz hatte einen aggressiven Unterton, der sich eindeutig gegen mich richtete. Was wollen Sie hier? sollte das heißen.
»Mein Vater weilt zwar nicht mehr unter uns, aber ich kenne ihn«, gab ich zurück. »Und Kinder habe ich derzeit auch keine. Der Grund, weshalb ich ihn suche, ist Miss Ella Gadsden.«
Jetzt verstummte die Schleifmaschine. Es war totenstill im Raum, nur im Radio fragte eine Frauenstimme, wie man als Verbraucher denn sicher sein könne, dass man Kleider aus einer Fabrik kauft, die ihre Arbeiter gut behandelt.
Den Schachspielern sagte Miss Ellas Name offenbar nichts, aber der Mann hinter der Theke drehte sich endlich um. Er stand langsam auf, stellte den Schuh, an dem er gerade arbeitete, auf die Mitte der Theke und musterte mich.
»Das ist ein Name, den ich lange nicht mehr gehört habe«, sagte er. »Aber Ihren hab ich noch gar nicht gehört, glaube ich.«
»Ich bin Privatdetektivin. Mein Name ist V. I. Warshawski. Miss Ella hat mich damit beauftragt, nach Lamont Gadsden zu suchen. Sie hat gesagt, Curtis Rivers sei ein Freund von Lamont Gadsden gewesen.«
Eine weitere lange Pause entstand. Dann sagte der Mann: »Wir haben uns vor langer Zeit gekannt. Was ist los mit Miss Ella? Ist sie plötzlich von Kummer erfüllt, nach all diesen Jahren? Fünf Monate, nachdem er damals verschwunden ist, hat sie sein Zimmer vermietet. Sie scheint nicht erwartet zu haben, dass er zurückkommt.«
»Haben Sie auch ihre Schwester gekannt? Miss Claudia? Sie scheint sehr krank zu sein, hab ich gehört. Sie ist es wohl, die Lamont wiedersehen will.«
»Können Sie sich irgendwie ausweisen, Ms Privatdetektivin?«, fragte Rivers.
Ich zeigte ihm die laminierte Fotokopie meiner Lizenz.
»Warshawski. Warshawski. Woher kenne ich bloß diesen Namen?«
»Eishockey?«, sagte ich. »Eine Menge Leute erinnern sich noch an meinen Vetter Boom-Boom.«
Alle drei Männer begannen zu lachen, so als wäre Eishockey an sich schon ein Witz.
»Ein einfaches Nein hätte auch genügt«, sagte ich gekränkt. Boom-Boom war mehr als nur mein Vetter gewesen; wir waren zusammen aufgewachsen und waren stolz auf unseren Ruf als die wildesten Kinder in South Chicago gewesen. Außerdem ist er wirklich ziemlich berühmt, er wird im selben Atemzug wie Bobby Hull genannt. »Miss Ella konnte sich nicht an viele Leute erinnern, die ihren Sohn gekannt haben könnten. Nur an Sie, Mr Rivers, und an zwei andere Freunde. Der eine davon lebt nicht mehr und den anderen, Steve Sawyer, kann ich nicht finden.« Ich machte eine Pause, aber Rivers kam mir nicht zu Hilfe. »Außerdem hat sie noch seinen Physiklehrer erwähnt und Pastor Hebert von ihrer Gemeinde.«
»Ich dachte, der wäre schon tot«, sagte einer der Schachspieler.
»Nein«, sagte ich. »Er lebt in Pullman mit seiner Tochter. Aber die Leute in seiner Gemeinde sagen, er wäre geistig nicht mehr sehr fit. Ich weiß also nicht, was er mir noch sagen kann.«
»Und was kann ich Ihnen sagen?«, fragte Rivers.
»Alles, was Sie über Gadsden wissen. Die Namen von Leuten, mit denen er unterwegs war. Irgendwelche Pläne, über die er geredet hat. Wann Sie ihn das letzte Mal gesehen haben. In welcher Stimmung er war. All solche Sachen. Und wenn Sie wissen, wo Steve Sawyer ist, würde mir das auch weiterhelfen.«
»Und was werden Sie tun, wenn ich Ihnen all diese Dinge erzähle?«
»Mit noch mehr Leuten reden. Ich würde versuchen, jemanden zu finden, der mir einen Hinweis geben kann, wo Lamont hingegangen ist, als er verschwand. Erinnern Sie sich noch, wann Sie ihn das letzte Mal gesehen haben?«
Rivers griff wieder nach dem Schuh, an dem er gearbeitet hatte. »Das ist alles schon sehr lange her, Ms Warshawski. Viele Jahre.«
»Miss Ella sagt, Lamont habe ihr Haus am Vorabend des großen Schneesturms von
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