Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
’67 verlassen. Sie und Miss Claudia hätten ihn danach nie wieder gesehen. Und wie ist das bei Ihnen? Haben Sie ihn gesehen?«
»Der Tag und die Stunde – bei so etwas irrt sich Miss Ella nie«, sagte Rivers mit kalter Stimme. »Meine Erinnerungen sind nicht so exakt, aber wenn mir etwas einfällt, kann ich Sie ja anrufen.« Er wandte sich ab und setzte die Schleifmaschine wieder in Gang.
Ich legte eine meiner Visitenkarten auf die Theke und zwei weitere neben das Schachbrett. »Wenn Sie das beruhigt«, sagte ich, »dann kann ich Ihnen versprechen, dass ich weder ohnmächtig werden noch zur Staatsanwaltschaft rennen würde, falls Sie sich an irgendwelche Verbindungen zu den Straßengangs erinnern. Ich habe sowohl Anacondas als auch Lions in verschiedenen Prozessen vertreten, als ich noch als Pflichtverteidigerin gearbeitet habe.«
Um die Schleifmaschine zu übertönen, hatte ich die Stimme gehoben, aber keiner der Männer reagierte auf meine Bemerkung. Ich schob mich durch die herunterhängenden Leinen und zuckte erneut zusammen, als die Pfeife ertönte und eine Stimme sagte: »Central Station, Chicago. Der Nachtexpress nach New Orleans steht jetzt zur Abfahrt bereit.«
7
Bad Boy Lamont?
Wütend starrte ich auf das Armaturenbrett. Wusste Curtis Rivers etwas über Lamont, was er mir nicht sagen wollte? Oder war mein gewinnendes Lächeln einfach nicht mehr so strahlend wie früher?
Selbst als ich gerade von der Uni kam und als staatliche Pflichtverteidigerin gearbeitet hatte, war ich nie in der Lage gewesen, meine »Aktivposten« so einzusetzen, wie es meinem Chef damals vorschwebte. Seine nicht allzu subtilen Hinweise, ich solle doch etwas tiefer ausgeschnittene Blusen tragen und Richter und Polizisten mit meinem Lächeln becircen, hatten gar nichts bei mir bewirkt.
Andererseits war ich Rivers gegenüber durchaus höflich und behutsam gewesen. Er hatte überhaupt keinen Grund, mich so eiskalt abfahren zu lassen.
Ich hatte von vornherein keine großen Hoffnungen bei dieser Suche gehabt, aber dass ich so schnell in einer Sackgasse landen würde, hatte ich doch nicht erwartet. Der Letzte auf meiner Liste war jetzt Pastor Hebert. Er wohnte bei seiner Tochter in Pullman, nur fünf Meilen entfernt. Angesichts der Tatsache, dass er offensichtlich schwer krank war, konnte ich mir kaum etwas von ihm erhoffen, aber zumindest war dann dieser Teil der Untersuchung abgeschlossen. Ich konnte morgen zu Miss Ella gehen und ihr sagen, dass ich entweder mehr Hintergrundmaterial von ihr brauchte oder die Ermittlungen einstellen müsste.
Ehe ich den Motor startete, rief ich bei der Tochter von Pastor Hebert an. Sie meldete sich schon beim zweiten Klingeln. Ich wollte gerade erklären, wer ich war, als sie mich unterbrach. Sie wisse schon, was ich wolle, sagte sie. Wer immer die Frau von der Saving-Word-Gospel-Gemeinde gewesen war, mit der ich heute Vormittag telefoniert hatte – sie musste Rose Hebert sofort informiert haben.
Ja, ich könne ruhig gleich vorbeikommen, sagte sie. Dass mir irgendjemand nach all den Jahren noch etwas Brauchbares würde mitteilen können, bezweifele sie aber.
»Das kann man nie wissen«, sagte ich mit gespielter Heiterkeit.
Als ich losfuhr, bewegten sich die Hundeleinen im Schaufenster vom Fit for Your Hoof. Jemand beobachtete mich. Aber was bewies das schon? Rivers wusste etwas über Lamont. Oder er traute einer weißen Frau in der schwarzen South Side nicht. Das hatte ich mir ohnehin schon gedacht. Ich trat so heftig aufs Gaspedal, dass das Heck des Mustang ausbrach und in ein Schlagloch schlingerte. Das hätte mir gerade noch gefehlt, wenn mir in dieser Gegend ein Reifen platzte oder die Achse brach.
Sehr schnell konnte ich sowieso nicht fahren. Es war halb sechs, und der Feierabendverkehr auf dem Höhepunkt. Um auf die Zufahrtsrampe des Ryan zu kommen, musste ich sechs Ampelphasen abwarten. Als ich an der 111ten Straße wieder herunterfuhr, bewegten sich die Autos immer noch Stoßstange an Stoßstange.
Sobald ich den Expressway verlassen hatte, gelangte ich in eine andere, geordnete Welt, die eigentlich gar nicht recht zu Chicago gehörte. Pullmans stille, von Bäumen gesäumte Straßen mit ihren rot und grün gestrichenen Reihenhäusern im Federal Style stehen in scharfem Kontrast zu den verlotterten Wohnblöcken nördlich und südlich davon.
Wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass Pullman dem Geist eines einzelnen Mannes entsprungen war und ein Monument für das Ego des
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