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Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball

Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball

Titel: Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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ich ihn bloß sehen, ich wollte, dass er mich so berührte wie damals im Sommer. Aber wie gesagt, ich redete mir ein, dass ich höhere Ziele verfolgte.«
    Nachdem sie ihre Schwäche gestanden hatte, konnte sie leichter atmen, und ihre Stimme wurde wieder tiefer. »Ich habe ihn auch gefunden oder besser gesagt, ich habe ihn gesehen. An der Ecke 63ste und Morgan Street. Er war mit Johnny Merton zusammen. Sie gingen ins Waltz Right Inn, erinnern Sie sich? Die alte Blues-Kneipe. Sie ist schon seit zwanzig Jahren nicht mehr da, aber damals war sie das Zentrum der Unterhaltung in unserem Stadtteil. Nicht für mich natürlich, nicht für die Tochter von Pastor Hebert. Aber die anderen Kids, mit denen ich zur Highschool gegangen bin, die gingen alle da hin …«
    »Und was haben Lamont und Johnny gemacht?«, fragte ich, als sie verstummte.
    »Das weiß ich nicht. Ich konnte ihnen nicht folgen! Das hätte mein Vater sofort erfahren. Ich habe mich in einen Hauseingang auf der anderen Straßenseite gesetzt und die Tür beobachtet. Alle meine Schulkameraden, die ich schon seit meiner Kindheit gekannt hatte, sah ich hinein- und hinausgehen. Am Mittwochabend fand unser Gottesdienst statt, aber im Waltz Right Inn gab es eine Jamsession. Alberta Hunter war manchmal da und Tampa Red, alle großen Namen, aber auch Anfänger. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gern ich dabei gewesen wäre, statt in die Kirche zu gehen.« Von der Leidenschaft in ihrer Stimme schien der Hörer in meiner Hand zu erzittern.
    »Haben Sie Lamont und Johnny Merton wieder herauskommen sehen?«
    »Nein, Daddy hat mich gefunden, bevor er wieder herauskam. Ich saß in meinem Mantel da, obwohl es noch warm war. Im Januar hätte ich ohne Mantel nicht raus gedurft, nicht in meiner Familie. Ich erinnere mich noch, wie blöd ich das fand, sechzehn Grad, und ich in diesem dicken Wollmantel. Und dann kam mein Vater. Er hat mich geohrfeigt, er hat gebrüllt und gesagt, ich sei ein ganz gewöhnliches Mädchen, eine Sünderin, die ihm und Jesus Schande mache, indem sie da vor der Bar herumlungerte wie ein Straßenmädchen.«
    Die Worte sprudelten heraus wie Wasser aus einem Hydranten.
    »Am nächsten Tag kam der Schnee. Ich bin am Morgen ins College gegangen, obwohl mein Gesicht rot und geschwollen war von den Schlägen, die mir mein Vater verpasst hat. Ich war für den Schneesturm so dankbar. Ich musste zwei Nächte im College verbringen und mit allen anderen auf dem Fußboden schlafen. Es war die einzige Gelegenheit, bei der ich mal genauso war wie die anderen Mädchen. Weiße Mädchen, schwarze Mädchen, wir lagen da alle im Dunkeln und haben über Jungs und unsere Familien geredet, und ich hab so getan, als ob er mein Freund wäre, Lamont … Na ja, wie auch immer … Als der Schneesturm vorbei war und ich wieder nach Hause kam, war Lamont nicht mehr da. So viel ich weiß, hat ihn nie wieder jemand gesehen. Zu Johnny Merton konnte ich ja nicht gehen. Irgendjemand hätte es Daddy erzählt, und ich hätte es nicht ertragen, wenn er mich …«
    Noch einmal verprügelt hätte, ergänzte ich leise für mich. Laut sagte ich: »Haben Sie Lamonts Freunde nach ihm gefragt? Haben Sie mit jemand gesprochen, der vielleicht wissen konnte, worüber Lamont und Johnny Merton geredet haben?«
    »Ja, aber erst später. Am Anfang habe ich gedacht, er geht mir bloß aus dem Weg. Ich dachte, Gott will mich bestrafen. Ich war so verwirrt, dass ich nicht wusste, ob Gott mich dafür bestraft, dass ich im September nicht mit Lamont durchgebrannt war, oder dafür, dass Lamont mich berührt hat und ich es erlaubt habe.« Sie lachte rau und verlegen.
    »Am Ende hab ich Curtis Rivers gefragt, aber das war erst einen Monat oder sechs Wochen später, und er wusste auch nicht, was los war. Genauso wie ich.«
    »War Rivers auch bei den Anacondas?«, fragte ich.
    »Ich wusste nie genau, wer Mitglied war und wer nicht. Ich war die Tochter vom Pfarrer, das eingebildete Mädchen. Sie haben mit mir nicht geredet wie mit den anderen Mädchen im Viertel. Ich glaube nicht, dass Curtis ein Anaconda war – er musste dann im Mai 1967 sowieso nach Vietnam. Er war bloß der Junge, dem alle vertraut haben. Gangmitglied, frommer Christ – Curtis hat sich aus allem rausgehalten. In den hätte ich mich verlieben sollen, statt in einen Taugenichts wie Lamont.« Sie lachte, aber nicht mehr so bitter wie vorher.
    »Also hat Miss Ella doch recht, und Lamont hat mit Drogen gedealt?«
    »Das glaube ich nicht.

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