Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
Nachmittag habe ich Karen Lennon bei einer Besprechung getroffen. Sie ist sehr besorgt. Sie fragt sich, ob sie nicht einen Fehler gemacht hat, als sie dich mit ihrer Patientin zusammengebracht hat.«
»Das kommt ein bisschen spät«, sagte ich ärgerlich. »Jetzt habe ich schon einen ganzen Tag damit verbracht, in diesem Topf herumzurühren, und die Frauen in Pastor Heberts Gemeinde haben schon heiße Ohren vom Telefonieren.«
Lotty lachte. »Ich glaube, genau deswegen macht sie sich Sorgen. Karen ist noch sehr jung. Sie konnte sich wohl nicht vorstellen, was das Auftreten einer Privatdetektivin in so einer kleinen Gemeinde auslösen kann.«
»Das sollte sie mir lieber direkt sagen, statt sich hinter dir zu verstecken«, knurrte ich. »Der werd ich was flüstern, gleich morgen früh.«
»Nun reiß ihr nicht gleich den Kopf ab«, sagte Lotty. »Wenn du dich nicht in deinem Loch verstecken und den ganzen Tag allein arbeiten würdest, dann wüsstest du, dass es ganz normal ist, dass sie sich in einer Besprechung mit mir unterhält.«
»Wenn du einen ganzen Tag mit Leuten verbracht hättest, die zu zucken anfangen, wenn sie dich sehen, dann würdest du dich auch gern in einem Loch verkriechen«, sagte ich. »Solange die Cappuccino-Maschine funktioniert, wäre ich ganz zufrieden dort.«
»Ja natürlich«, sagte Lotty. »Wir werden es hübsch möblieren und ausschmücken. Wir machen dir ein ganz gemütliches Loch. Ich lasse dir jeden Tag eine Flasche Milch und einen Korb mit Käse und Obst schicken.« Sie drückte meine Hand. »Du bist in Gedanken noch bei Morrell, nicht wahr?«
»Nicht direkt«, sagte ich und jonglierte mit dem schweren Silberbesteck. »Ich frage mich nur, warum ich immer noch nicht in der Lage bin, eine stabile Beziehung zu unterhalten. Irgendwo im Hinterkopf hatte ich immer die Vorstellung, dass ich in diesem Alter eine Familie oder zumindest ein Kind haben sollte.«
Lotty hob die Brauen. »Nichts läge mir ferner, als dich zu kritisieren, Victoria – der Himmel weiß, dass ich dazu kein Recht habe. Aber du hast nicht gerade so gelebt wie jemand, der gern ein Kind hätte.«
»Nein, ich habe gelebt wie ein Pfeffertopf. So hat mein Vater mich immer genannt. Jedem Mann, der mir zu nahe kam, hab ich erst mal was an den Kopf geworfen. Meinst du das?«
»Nein, Liebes. Dass du kratzbürstig bist, na schön, das sind viele Leute, ich auch. Aber du stellst deine Bedürfnisse ständig zurück. Das ist ein typisches Symptom der weiblichen Krankheit, ganz ähnlich wie das, was du gerade bei Rose Hebert beklagt hast. Deine Klienten brauchen dich, die Frauen im Frauenhaus brauchen dich, und sogar ich brauche dich. Männer können der Gemeinschaft dienen, finden darin Befriedigung und kommen dann zur Familie nach Hause, aber wir Frauen sind eher wie Nonnen: Wenn wir eine Berufung spüren, vergessen wir unsere privaten Bedürfnisse komplett.«
»Ich bin also eine nicht-zölibatäre Nonne«, sagte ich, aber es hörte sich gar nicht lustig an. Ich fühlte mich plötzlich unendlich einsam. »Das hast du dir natürlich alles zusammen mit Max ausgedacht, stimmt’s?«
Sie lächelte traurig. »Nach vielen einsamen Stunden, ja.«
Die gekrümmten Fensterscheiben spiegelten das Licht der Kerzen auf dem Tisch. Ich studierte die zahllosen Flämmchen, und die Spannung des Tages wich aus meinen Schultern. Gegen neun schickte mich Lotty nach Hause, weil sie am nächsten Morgen früh aufstehen musste.
Auf dem Heimweg überprüfte ich die Nachrichten auf meinem Handy. Karen Lennon hatte angerufen und mir mitgeteilt, dass sie bei der Veterans Administration gewesen sei und Elton Grainger die Adresse eines Büros gegeben habe, das Unterkünfte für obdachlose Exsoldaten verwalte. Sie war eine sehr gewissenhafte Seelsorgerin, daran konnte kein Zweifel bestehen.
Als ich nach Hause kam, stürzte Mr Contreras sich auf mich. »Da sind Sie ja, Puppe. Ich konnte mich nicht an Ihre Handynummer erinnern, und Ihrer Cousine haben Sie die Nummer auch nicht gegeben. Also haben wir die ganze Zeit hier gesessen und gehofft, dass Sie noch vor Mitternacht heimkommen.«
»Vic!« Jetzt kam auch Petra selbst angehüpft, Mitch im Schlepptau. »Ich komme mir ja wie ein Idiot vor, aber ich hab meine Schlüssel verloren und weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Ich dachte, ich könnte vielleicht bei dir übernachten. Aber Onkel Sal hat gesagt, du wüsstest, wie ich in meine Wohnung komme. Du könntest alles, was nicht elektronisch ist,
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