Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
hätte Sie jederzeit wegen Bandenbildung und den Erpressungen drankriegen können, aber die Polizei hat darauf gewartet, dass Sie mal einen großen Fehler machen, am besten gegenüber einem Mann, der ein Mikro unter dem Hemd trägt.«
Er schlug mit der Hand auf den Tisch. »Wenn du blöde Zicke denkst, ich würde hier irgendwelche Geständnisse ablegen, dann hast du dich geschnitten!«
Ich zog ein Exemplar der Suite Française aus meiner Aktentasche und fing an zu lesen. Mit wachsender Wut sah Johnny mir zu, dann lachte er plötzlich. »Okay. Ich hätte wohl Ms Detective sagen sollen.«
»Stimmt«, sagte ich und klappte mein Buch zu. »Ich suche nach einem alten Freund von Ihnen, Lamont Gadsden.«
Der hässliche Gesichtsausdruck kehrte wieder zurück. »Und was wollen Sie ihm anhängen, Ms Detective?«
»So eine Art Detektivin bin ich nicht, Mr Merton. Ich will ihn bloß finden.«
»Damit ihn jemand anderes hier reinstecken kann, was? Gleich in die Nachbarzelle, was?« Sein Gesicht war böse, aber er kannte das System und sprach in einem vertraulichen Gefängnisflüstern.
»Gehört er denn hinter Gitter? Ist er ein Komplize bei einem der Morde gewesen, für die Sie hier sitzen?«
»Sie haben mich eingesperrt, aber sie haben mir nie etwas nachweisen können. Keinerlei Beweise, außer der Aussagen von diesem … Hochseilakrobaten, aber der macht keine großen Sprünge mehr.«
Der Mann, der Johnny als Auftraggeber von drei Morden im Milieu der Straßengangs identifiziert hatte, war Johnnys Stellvertreter bei den Anacondas gewesen. Am Tag als der Prozess gegen Johnny eröffnet wurde, hatte man ihn tot in einer dunklen Seitengasse gefunden, wie ich im Herald Star gelesen hatte. Ein Tatverdächtiger war nie verhaftet worden, obwohl dem Mann beide Ohren gefehlt hatten, was darauf hinwies, dass die Anacondas hier einen Verräter bestraft hatten.
»Sie wurden aber verurteilt. Ich bin sicher, Greg Yeoman hat sein Bestes gegeben. Aber Sie haben ihm wohl nicht viel zu Ihrer Verteidigung an die Hand geben können, nicht wahr?« Ich wartete einen Moment, damit seine Wut auf seinen Adjutanten, der ihn verraten hatte, ein bisschen abkühlen konnte. »Lamont Gadsden. Seine Mutter ist eine alte Frau, und die Tante, die ihn so geliebt hat, liegt im Sterben. Sie wollen ihn noch einmal sehen, ehe sie tot sind.«
»Ella Gadsden? Bringen Sie mich bloß nicht zum Weinen, Detective. In diesem ganzen Gefängnis gibt es keinen Aufseher, der so knochenhart ist wie diese fromme Lady. Der Einzige, der ihr das Wasser reichen kann, ist dieser Pfarrer, zu dem sie immer gerannt ist.«
»Und was ist mit Miss Claudia? Sie kann kaum noch sprechen, ja, sie kann den Kopf kaum noch hochhalten. Sie wünscht sich so sehr, Lamont noch einmal zu sehen.«
Merton verschränkte die Arme vor der Brust, um mir seine Verachtung zu zeigen. »Ich erinnere mich. Miss Claudia war immer ein Sonnenstrahl auf der South Morgan Street. Aber an einen Lamont kann ich mich nicht erinnern.«
»Er war 1966, im Freedom Summer, bei den Anacondas und hat geholfen, Dr. King im Marquette Park zu beschützen.«
»Hat Ihnen das seine Mutter erzählt? Ich will ja nicht an einer Stütze der Gemeinde zweifeln, aber vielleicht ist Ella Gadsdens Gedächtnis auch nicht mehr das, was es mal war. Sie muss ja fast hundert Jahre alt sein.«
»Sechsundachtzig, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie nicht bei Verstand wäre.«
Johnny legte seine Arme auf den Tisch, sodass sich die Schlangen direkt vor meinen Augen wanden. »Die Anacondas, das bin ich. Und wenn ich sage, ich kenne keinen Lamont Gadsden, dann ist er auch nicht bei uns gewesen. Freedom Summer hin oder her.«
Die Bedrohung, die von ihm ausging, war körperlich spürbar, trotzdem war es mir unverständlich, warum er einen seiner Kumpel verleugnete. »Komisch, andere Leute erinnern sich gut an ihn. Sie erinnern sich sogar, dass Sie mit ihm am Abend vor dem großen Schneesturm im Januar 1967 ins Waltz Right Inn gegangen sind. Das war das letzte Mal, dass er lebend gesehen wurde.«
Die Worte hingen bleischwer zwischen uns. Schließlich sagte er: »Mädchen, durch die Türen dieser Kneipe sind eine Menge Leute gegangen. Da erinnert man sich nicht, mit wem man vor vierzig Jahren zusammen war. Aber ich kann mich ja mal erkundigen. Vielleicht gibt es Brüder, die ein besseres Gedächtnis haben als ich.«
»Und wenn Sie schon dabei sind, können Sie auch gleich fragen, ob sie sich vielleicht an Steve Sawyer
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