Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
wie schön, dass du gekommen bist! Prima siehst du aus mit deinen Orden! Und Vic, wow! Ich hab mich schon gefragt, wer Onkel Sals glamouröse Begleitung ist.«
Sie lachte ihr perlendes Lachen, und die abgebrühten alten Politschranzen ließen sich von ihr mitreißen. Mr Contreras strahlte schon wieder. Petra trug ein leichtes Chiffonkleid und sah aus wie ein Blumenkind. Mit ihren Stiletto-Absätzen überragte sie beinahe alle, unter anderem auch mich.
»Ich gehe mal den Senator suchen, ich meine Brian – ich vergesse immer, dass er ja erst noch gewählt werden muss! Ich weiß genau, dass er gern ein Foto mit Onkel Sal hätte!«, rief sie. Dann nahm sie Mr Contreras an der Hand und zog ihn davon. »Ich bring dich zu Onkel Harveys Tisch, damit ich dich wiederfinde!«
Bescheiden folgte ich in ihrem Kielwasser. Dreiundzwanzig Jahre alt und so routiniert wie ein Profi! Sie tippte Leuten auf die Schultern, lachte, hörte geduldig zu, was eine alte Frau mit einem Hörgerät zu ihr hinaufbrüllte.
In der Nähe des Podiums und der Kapelle waren ein Dutzend mit rot-weiß-blauen Ballons geschmückte Tische abgetrennt. Große Reserviert-Schilder machten deutlich, dass hier die Ehrengäste Platz nehmen sollten, die sich richtig für Krumas ins Zeug gelegt hatten. Aus dem Programmheft war zu entnehmen, dass jeder Tisch hundertfünfzigtausend und jeder Stuhl fünfzehntausend gekostet hatten. Was wieder einmal die alte Immobilienweisheit bestätigte, dass es nur auf die Lage ankommt: Die Stühle selbst waren genau dieselben billigen Klappstühle, die man auf jedem kirchlichen Trödelmarkt hätte kaufen können.
Allerdings würden die Leute erst darauf Platz nehmen, wenn die schwungvollen Reden anfingen. Jetzt war nur eine Handvoll besetzt. Petra führte Mr Contreras zum Tisch Nummer 1, direkt vor dem Podium. Jolenta Krumas, die Mutter des Kandidaten, saß mit ein paar anderen älteren Frauen zusammen, die alle gleichzeitig redeten. Ich vermutete, dass es eine Schwester und eine Schwägerin waren, aber sie waren keineswegs so eindrucksvoll wie Jolenta. Ihr dickes, schwarzes, mit wenigen grauen Strähnen durchzogenes Haar war nach hinten gekämmt und wurde von Schmetterlingen aus Diamanten gehalten. Sie war über sechzig, aber ihre Haltung war untadelig. Aufmerksam hörte sie ihrer Nachbarin zu, aber als sich Petra zu ihr herabbeugte, schaute sie mit einem freundlichen Lächeln auf.
»Tante Jolenta, das ist Salvatore Contreras, mein neuester Ehrenonkel, und ich bin überzeugt, unser zukünftiger Senator würde sich freuen, ein Foto mit ihm zu machen!«
Jolenta Krumas ließ ihre Blicke zwischen Petra und den polierten Orden auf der Brust von Mr Contreras hin und her gleiten. Sie lächelte spöttisch. »Du bist wirklich sehr tüchtig, Liebling. Ich werde dafür sorgen, dass Harvey das deinem Papa sagt, wenn sie das nächste Mal telefonieren. Kommen Sie, Salvatore, setzen Sie sich zu uns! Dann können Sie sich ein bisschen ausruhen von meiner entzückenden Nichte. Brian kommt bestimmt auch bald vorbei. Er ist irgendwo im Hinterzimmer mit ein paar Freunden von Harvey. Seit er kandidiert, sehe selbst ich ihn kaum noch. Heute Abend sitzen wir seit Monaten zum ersten Mal wieder an einem Tisch, um zu essen.«
Petra wandte sich um und bemerkte mich. Sofort verzog sie ihr Gesicht in gespielter Zerknirschung. »Oh, Tante Jolenta, tut mir leid. Ich habe ganz vergessen, dir Vic vorzustellen. Victoria ist eine echte Cousine von mir. Sie ist die Nachbarin von Onkel Sal. Sie ist Detektivin. Vic, das ist die Mutter des Senators.«
»Des künftigen Senators, hoffen wir«, korrigierte Jolenta. »Bis zur Wahl ist es noch lange hin.« Sie tätschelte Petras Hand und zeigte dann auf den Stuhl neben sich, um Mr Contreras zu bedeuten, dass er Platz nehmen sollte.
Alle, die vorbeikamen, drehten sich nach meinem Nachbarn um und fragten sich, was er wohl getan hatte, dass er so nahe bei den Mächtigen sitzen durfte. Ich nahm mir ein Glas Wein vom Tisch und schlenderte in Richtung des Ausgangs. Dabei hörte ich, wie eine Frau sagte: »Ach, das ist Brians Großvater. Das hat mir gerade einer der Gäste gesagt.« Ich lachte in mich hinein. So entstehen Legenden.
Ich verließ das Gebäude, ging bis ans äußerste Ende des Piers und starrte ins dunkle Wasser hinunter, in dessen Wellen sich die Lichter spiegelten. Hier war es ruhiger, keine plärrenden Lautsprecher mehr und kein endloses Geplapper, das ohnehin nur der gegenseitigen Fellpflege dient.
Es
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