Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
Kandidaten gestern Abend gesagt? Tony hat dafür gesorgt, dass wir auf dem rechten Weg blieben . Na schön, mein Vater war Polizist gewesen, das Auge des Gesetzes. Das hatte meine ganze Kindheit beherrscht. »Victorias Vater ist Polizist«, sagten die Kinder und manche Erwachsenen. »Der verhaftet dich, wenn du nicht brav bist.« Offenbar hatten sein jüngerer Bruder Peter und Harvey Krumas meinen Vater genauso gesehen. Auch für sie war er nur eine Uniform und kein Mensch gewesen.
»Na ja«, sagte ich laut zu mir selbst. »Wenn man sich mit einem schleimigen Typen wie Arnie Coleman herumtreibt, dann braucht man auch jemanden, der einen auf dem rechten Weg hält.«
Meine Stimme erschreckte Peppy, die leise zu winseln begann. Beruhigend tätschelte ich ihren Kopf.
Pater Gribac war der Pfarrer von St Czeslaw gewesen, der Kirche, die meine Tante Marie besuchte. Natürlich hatte niemand St Czeslaw gesprengt, aber Pater Gribac hatte damals im heißen Sommer des Jahres 1966 tatsächlich die Flammen des Hasses geschürt. Auch meine Tante Marie war eines der Gemeindemitglieder, die geschworen hatten, dass sie alles tun würden, um King und den anderen Agitatoren zu zeigen, dass sie mit ihren Bürgerrechtsmärschen in Mississippi oder Georgia bleiben sollten oder wo sie sonst hingehörten. Sie war wütend darüber, dass der Kardinalerzbischof einen Hirtenbrief von den Kanzeln verlesen ließ, in dem er von Brüderlichkeit und einem freien Wohnungsmarkt redete.
»Unsere Neger hier in Chicago haben immer gewusst, wo sie hingehören«, sagte sie. »Und jetzt kommen diese Kommunisten und wiegeln sie auf.«
Pater Gribac hatte Kardinal Codys Hirtenbrief brav verlesen, denn er war ein gehorsamer Soldat in der Armee Christi. Aber dann hatte er voll Inbrunst gepredigt, dass alle guten Christen die Pflicht hätten, gegen den Kommunismus zu kämpfen und ihre Familien davor zu beschützen. Meine Tante Marie erzählte uns ausführlich davon, als sie ein paar Tage nach meinem zehnten Geburtstag bei uns vorbeischaute.
»Wenn wir sie im Marquette Park nicht stoppen, dann sind sie als Nächstes hier auf der South Side«, sagte sie. »Pater Gribac sagt, er hätte es satt, dass der Kardinal in seinem Palast sitzt wie Gott auf dem Thron und sich nicht darum kümmert, wie es den Weißen in dieser Stadt geht. Schließlich sind wir es gewesen, die diese Kirchen gebaut haben. Aber Kardinal Cody will diese Nig–«
»In meinem Haus wird dieses Wort nicht benutzt«, hatte meine Mutter sie scharf unterbrochen.
»Natürlich, du bist über so was erhaben, Gabriella«, erwiderte meine Tante. »Aber was ist mit uns? Wir haben hart gearbeitet, um uns ein Haus kaufen zu können.«
Meine Mutter hatte in ihrem gebrochenen Englisch geantwortet: »Mama Warshawski hat mir immer erzählt, wie es die Polen schwer gehabt haben in dieser Stadt in den Zwanzigerjahren. Die Deutschen waren hier zuerst, dann die Iren, und die wollten nicht Polen bei sich arbeiten lassen. Mama Warshawski hat mir erzählt, wie sie Papa Warshawski beschimpft haben, wenn er Arbeit gesucht hat. Dummer Polacke und schlimmer. Und Tony muss bei der Polizei auch die schlechtesten Jobs machen. Die Polizisten sind alles Iren, die mögen keine polnischen Leute. So geht das immer, Marie. Ist traurig, aber so geht das: Die, die zuerst dagewesen sind, wollen nicht, dass andere kommen.«
Ich saß auf meinem Bett und umklammerte meine Knie, während der Schweiß auf meiner Haut langsam trocknete. Es schien, als ob ich in letzter Zeit ständig gezwungen wurde, mich an den Aufruhr vor vierzig Jahren zurückzuerinnern. Johnny Merton, Lamont Gadsden und jetzt Arnie Coleman mit seinen kaum verschleierten rassistischen Kommentaren: Damals fing die Stadt an, vor die Hunde zu gehen… als gute Polizisten gezwungen wurden, sich gegen ihre eigenen Nachbarn zu wenden .
Die Krawalle hatten die South Side zerstört. Mein Vater war vier Tage ununterbrochen im Einsatz gewesen, und als er endlich nach Hause kam, war er erschüttert über den Hass, der ihm, seinen Kollegen und auch den Nonnen entgegengeschlagen war, die mit Martin Luther King durch die Stadt marschiert waren. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was diese katholischen Jungs für Beleidigungen gebrüllt haben!« , sagte er fassungslos zu meiner Mutter. »Das waren Leute, mit denen ich zur Messe gegangen bin, als ich noch ein Kind war. Und jetzt beschimpfen sie Nonnen mit den übelsten Ausdrücken!«
Es war vier Uhr morgens. Ich stand auf, zog
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