Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
gesehen haben – arbeitet als Praktikantin für die Kampagne von Brian Krumas und hat mich zu einer großen Party eingeladen. Aber zumindest hat mich mein Ex da in Abendgarderobe gesehen, es hat sich also gelohnt!«
»Ach ja, die Ehemaligen!«, seufzte er. »Wenigstens ist Ihr Ex wahrscheinlich nicht Musiker wie meine Exfrau. Sie hat eigentlich immer nur ihre Oboe geliebt.«
»Mein Exmann hat immer nur überlegt, was er seinen Mandanten alles berechnen kann. Aber ich hab wohl auch ein paar kleine Fehler gemacht«, ergänzte ich trübe und dachte wieder mal an Morrell.
15
Ein altes Prozessprotokoll
Mein Besuch im Büro an diesem Tag war nur kurz. Am Vormittag musste ich meinen Bericht einem wichtigen Klienten vorstellen, und als mir das wider Erwarten recht überzeugend gelang, schaute ich anschließend noch im Büro vorbei. Eigentlich wollte ich endlich mal alle E-Mails beantworten, aber ich war viel zu übermüdet. Ich ging wieder nach Hause und legte mich schlafen.
Gegen drei Uhr nachmittags wurde ich von einem Familiendrama geweckt. Ruthie, die Tochter von Mr Contreras, war mit ihren zwei Söhnen aus Rolling Meadows gekommen. Sie stand auf der Schwelle und schimpfte mit ihrem Vater. Mitch und Peppy umkreisten sie und bellten laut vor Empörung.
Ich trat ans Fenster, um zu sehen, was los war. Die Hunde wedelten mit den Schwänzen, wie um zu zeigen, dass sie nicht ernsthaft wütend waren. Ruthie stand vor dem Haus und krakeelte, während ihre Söhne sich vornehm zurückhielten und so aussahen, als wären sie lieber irgendwo anders. Aus meinem erhöhten Blickwinkel konnte ich den schwarzen Ansatz in Ruthies gebleichtem Haar gut erkennen.
»Warum müssen wir eigentlich aus den Fernsehnachrichten erfahren, was du so treibst?«, keifte sie. »Du hättest ruhig mal anrufen und sagen können: ›Ach, übrigens, ich treffe demnächst diese ganzen Prominenten!‹ Ich will ja gar nicht davon anfangen, dass du mich und deine Enkel auch hättest mitnehmen können! Dein eigenes Fleisch und Blut lässt du zu Hause sitzen, und dann erscheinst du mit dieser sogenannten Detektivin im Fernsehen!«
In diesem Augenblick tauchte meine Cousine Petra auf. In engen Röhrenhosen und hochhackigen Stiefeln kam sie mit einem Bündel Zeitungen die Straße heruntergetanzt. Die Hunde stürmten ihr begeistert entgegen. Aus ihrem Bellen wurde entzücktes Winseln.
»Hallo, Onkel Sal!« Petras kräftige Stimme übertönte Ruthies nasales Gejammer. »Onkel Sal! Schau mal! War das nicht eine tolle Party? Waren wir nicht alle brillant? Und außerdem bist du jetzt ein Star, Onkel Sal! Hast du den Herald Star gesehen? Und die Washington Post hat dasselbe Foto benutzt.«
Ich rannte ins Badezimmer und stellte mich unter die kalte Dusche. Bei meinem kurzen Ausflug in die Stadt heute Morgen hatte ich mich gar nicht um die Zeitungen gekümmert. Auch der Herald Star steckte noch ungelesen in meiner Tasche. Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, holte ich ihn heraus.
Auf der ersten Seite des Lokalteils prangte ein Bild von Mr Contreras mit Brian Krumas. Der Kandidat, dem eine Locke in die Stirn fiel wie Bobby Kennedy, hatte Mr Contreras die rechte Hand auf die Schulter gelegt, während er mit der anderen den Ellbogen des alten Mannes zurückzog, damit man die Orden auch richtig sah. Der Bronze Star an der Brust meines Nachbarn und Krumas strahlten um die Wette. Durch diese Inszenierung musste sich Petras Wert für die Kampagne verfünffacht haben.
Ich zog mir ein T-Shirt und meine Jeans an und ging nach unten, um bei der Party mitzufeiern. Oder was immer es war.
»Autogramm, Autogramm!«, rief ich und hielt Mr Contreras die Zeitung hin. Er grinste so breit, dass ich dachte, seine Ohren müssten gleich abplatzen.
»Ist er nicht wunderbar?«, sagte Petra. »Onkel Sal, du bist mein Held! Jetzt kann dich niemand mehr stoppen!«
Ruthie griff jetzt zu kaum verhüllten Beleidigungen: »Aus was für einem Loch bist du denn gekrochen? Ich erinnere mich an keine Cousine mit Namen Petra. Wir sind seine echte Familie!« Ihre Söhne waren peinlich berührt und ihr Vater verärgert, aber Petra ignorierte sie einfach.
»Können wir raufgehen und deinen Computer benutzen, Vic? Onkel Sal ist auch auf YouTube. Das will er doch bestimmt gerne sehen. Und ihr auch, nicht wahr?«
Die Enkel waren offensichtlich von Petras walkürenhaftem Auftreten eingeschüchtert und murmelten nur irgendetwas, während sie mit den Füßen auf dem Pflaster herumscharrten. Aber in
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