Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
die Wahrheit klar zu sehen – ohne mich auf jemand anders verlassen zu müssen, der die Welt für mich interpretiert. Es musste einen Weg geben, das Chaos zu durchdringen, in dem ich lebte, und zu sehen, was zur Hölle eigentlich mit dem Chaos los war, dass sich
Ich
nennt.
In meiner Suche nach etwas Wahrem entdeckte ich den Zen-Buddhismus. Bevor ich herausfand, was das wirklich war, hatte ich den Buddhismus schon ein paar Mal übergangen. Alles, was ich über den Buddhismus so las, ließ mich denken, es ginge darum, mit verknoteten Beinen rumzusitzen, während Bilder hübscher Blumen und flauschiger weißer Wölkchen durch meinen Geist tanzten.
Klar
, dachte ich mir,
als ob sowas jemals irgendein Problem lösen würde
.
Es ist eine verdammte Schande, dass so viele so genannte buddhistische Bücher scheinbar absichtlich die Funktion spiritueller Fahrstuhlmusik übernehmen. Misch einfach ein wenig Schlafliedstyle-Geschreibsel mit ein paar gut abgedroschenen buddhistischen Klischees – oder Zitaten von Yoda („
Lass die Macht durch Dich
fließen
!
“) und dem Typen, den David Carradine in
Kung-Fu
gespielt hat („
Geduld, Grashüpfer!
“), falls Du keine echten buddhistischen Zitate kennst. Packe alles in ein heiteres Cover mit einem Bild von plätscherndem Wasser und – Hey! Du machst Buddhismus!
Ich hatte das Glück, in einem vergleichsweise jungen Alter auf einen echten buddhistischen Lehrer (und nicht ’nen bloßen Poser) zu treffen. Ich war damals neunzehn und er war fünfunddreißig – ein wenig jünger als ich jetzt bin. Der Buddhismus, den er mich lehrte, war nicht im Geringsten wie eine der Religionen oder Philosophien, über die ich davor etwas gelesen hatte; er war etwas völlig anderes.
Das Letzte, das Buddha seinen Schülern sagte, bevor er starb, war dies: „Stellt Autorität in Frage“. Falls du das tatsächlich nachschaust, kann es sein, dass du es als „Seid euch selbst ein Licht“ übersetzt findest. ’Ne ganze Menge der Leute, die solch ein Zeug übersetzt haben, sind ziemlich auf den Sprachstil der Lutherbibel abgefahren. Der Punkt bleibt aber, dass eine Lampe etwas ist, womit du dir den Weg durch die Dunkelheit bahnst. „Seid euch selbst ein Licht“ heißt: Sei dein eigener Herr, halte deine eigene Lampe. Glaub’ nicht irgendwas, nur weil dein Held, dein Lehrer, oder gar Buddha selbst es gesagt hat. Schau selber nach. Sieh für dich selbst, mit deinen eigenen Augen. Die Anweisung „Seid euch selbst ein Licht“ ist nichts als eine andere Art, „Stell’ Autorität in Frage“ zu sagen.
Und es gibt da noch etwas, was im Zen einzigartig ist: Während das Christentum lehrt, dass der Mensch aus dem Garten Eden vertrieben wurde, lehrt Zen, dass wir gerade eben jetzt im Paradies leben, sogar inmitten der ganzen Scheiße, die hier so abläuft. Diese Welt hier ist das Reine Land. Diese Welt hier ist das Paradies. Tatsächlich ist sie sogar
besser
als das Paradies – doch das Einzige, was wir tun, ist jammern und klagen, und uns nach etwas Besserem den Hals verdrehen.
Aber nicht nur „Buddhismus“ oder „Zen“ erzählen dir das. Auch ich sage dir das, und zwar genau jetzt. Und ich werde es noch einmal sagen: Diese Welt ist besser als das Paradies, besser als jedes Utopia, das du dir vorstellen kannst. Ich sage das trotz Krieg und Hunger, Selbstmordattentaten und Terrorwarnungen. Diese Welt hier ist besser als Utopia, weil – und folge diesem Punkt ganz genau –
du niemals in Utopia leben kannst
. Utopia ist immer irgendwo anders. Genau das ist die Definition von Utopia.
Vielleicht kannst du dich auf ’ne paradiesische Insel zurückziehen, weit entfernt von deinem Boss, deinen Rechnungen und allem sonst, dem du entkommen willst, aber schon bald wirst du dich darüber beschweren, dass du dauernd Sand in der Arschritze hast, der Cola-Automat Deine Euros frisst oder die verdammten Einsiedlerkrebse dir ständig die Badeschlappen klauen. Egal wo du bist, du wirst immer irgendwas finden, das dir nicht passt, weil es mit deiner Vorstellung, wie es sein „sollte“,
niemals ganz übereinstimmen
wird.
Du kannst nicht ins Paradies gehen. Nicht jetzt und auch nicht, nachdem du deine erste Million gemacht hast. Nicht nachdem du gestorben bist. Und auch nicht, wenn du immer brav deinen Teller leer isst und wirklich ganz doll lieb bist. Niemals. Das, was du „Ich“ nennst, kann niemals die Pforten des Himmels betreten, ganz egal, mit wie viel Überzeugung du daran glaubst. Der Himmel
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