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Titel: Hardware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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bei jedem Kampf hier in den amerikanischen Konzessionen um die Brocken geht, die die Orbitalen zurückgelassen haben, weil sie ihnen nicht der Mühe wert waren.
     Der Hetman erhebt sich. Seine Hände vollführen nervöse Bewegungen. Sarah steht mit ihm auf.
     "Ich werde mich aufmachen und die Waffe besorgen", erklärt er. Ein langer Aschenwurm fällt vom Ende seiner Zigarette und hinterläßt einen Fingerabdruck aus grauem Staub auf seiner Weste. Wenn er auf Druck reagiert, denkt Sarah, wenn er bereit ist, sie zu verraten, dann morgen. Wenn der Junge mit der Waffe kommt, wird er sie benutzen. Sie wird versuchen, darauf vorbereitet und auf dem Sprung zu sein, wenn das wirklich in den Karten steht. Sie hebt die Hand an die Kehle, wie eine Zigeunerin, die Eisen berührt.
     Sein Blick ist unkonzentriert; er ist nicht auf Sarah gerichtet, sondern auf das, was kommen wird, auf die Zukunft, die - nach der Richtung seines träumerischen Blicks zu urteilen - über ihrer rechten Schulter zu warten scheint. Sie hat das Gefühl, als müßte sie sich umdrehen und nachschauen, was dort zu sehen ist.
     "Danke, Michael", sagt Sarah.
     Er richtet seine klugen Augen auf sie und schweigt. Sie kämpft gegen einen Impuls an, die Arme um ihn zu schlingen, in der sterilen Helligkeit ein Stück Trost zu finden, ungeachtet der Tatsache, daß es hier ums Geschäft geht und daß dieser Mann vielleicht schon ihren Tod arrangiert hat... Aber es ist ein Tod, den sie fast willkommen heißen könnte. Sie hat das Gefühl, daß ihre eigene Seele sie verlassen hat, als sie Danicas Augen zu Marmor werden sah, daß sie sich mitsamt all der Dinge, die ihrem Leben einen Sinn zu geben schienen, irgendwo verirrt hat. Wohin verschwindet die scharfe Ladung, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt hat? Sie fliegt auseinander, stählerne Nadeln, die alle ihr eigenes Ziel verfolgen. Schrott, der das Vergessen sucht.
     Früher einmal, denkt sie dumpf, hatte all das einen Sinn. Da hatte ihr Leben ein Ziel gehabt, eine weite Perspektive, eine Richtung: nach oben, heraus aus dem Schwerkraftschacht und in die reine schwarze Umhüllung des luftleeren Raums hinein. Jetzt hat sich die Perspektive verengt. Es gibt nur einen einzigen Imperativ: Überlebe diesen Moment! Die Vergangenheit zählt kaum; mit der Zukunft wird sie sich befassen, wenn es soweit ist, von einem Augenblick zum nächsten. Jedes Ticken der Uhr eine neue Last, eine neue Anwendung des Imperativs. Der Hetman wird ihr helfen, diesen Moment zu überstehen, und für einen weiteren kurzfristigen Imperativ sorgen. Überlebe bis morgen, komm zum Treffen ins Plastic Girl. Dann überlebe das Treffen, wenn möglich.
     Der Junge auf der anderen Seite des Raums weint und zerreißt ein weiteres Taschentuch. "Clever von ihnen", sagt der Hetman, "über Andrei zu kommen und nicht direkt. Sie wußten, daß Andrei noch zusätzlich Druck machen würde." Die Stimme ist nachdenklich; sie greift in den Äther nach dem Feind, den es dort geben mag, und versucht, seine Denkweise zu verstehen.
     "Ich treff' mich mit deinem Jungen", sagt Sarah. Und geht, ehe der Schmerz in ihrer Kehle sich Bahn bricht.
     Daud liegt nur ein Dutzend Türen weiter. Er teilt das Zimmer mit einem alten Mann, der sich die Hüften richten läßt. Die Blumen von Sarah und den Kindern des alten Mannes überdecken den Geruch nach chemischen Desinfektionsmitteln nicht ganz. Oben in einer Ecke zeigt das Video dieselbe reizlose Komödie, die im Wartezimmer lief. Der alte Mann schaut aufmerksam zu und nimmt keine Notiz von Sarahs Anwesenheit.
     "Hallo Daud", sagt sie.
     LEDs pulsieren grün in Dauds Ecke, und Apparate machen tickende Geräusche, während sie ihre geheimnisvollen Aufgaben erfüllen. Ein Videoschirm zeigt eine Abfolge von gezackten Parabeln. Er atmet jetzt selbst, und sein Herz schlägt von allein. Über Dauds Kopf schimmert ein Mobile aus rostfreiem Stahl, die Stangen und Gewichte, an denen er seinen neuen Arm trainieren soll. Die Chemikalien, mit denen er seine Haarfarbe geändert hatte, nimmt er nicht mehr, und seine Haare sind braun an den Stellen, wo sie nach der Rasur wieder gewachsen sind; an einer Seite seines Kopfes ist ein kahler Fleck mit rosaroter neuer Haut. Eine Gazebinde ist über die Augenhöhle geklebt, die bald mit einem Kikuyu-Implantat gefüllt werden wird. Unter der Binde hängt ein Draht heraus und führt zum Computer auf dem Kopfbrett. Er hält den Sehnerv am Leben. Die Decke ist über seinen Beinstümpfen zu einem Zelt

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