Hardware
die jeden Sinn verloren haben, außer den Kristall in seinem Kopf mit den Daten zu füttern, die dieser benötigt. Alles, was von dem Deltajock noch übrig ist, ist reiner Reflex.
"Diese Computerherzen sind heiß", sagt Cowboy. "Vielleicht solltest du sie vorläufig zurückhalten."
Reno schüttelt den Kopf. "Ich hab' nicht mal vor, sie zu verkaufen, und zwar lange Zeit nicht. Ich werd' sie in einen Tresor legen und als Sicherheit für einen Kredit von einer Face-Bank einsetzen. Mit dem Kredit stocke ich dann mein Portefeuille auf, und wenn ich eine Weile mit dem Geld gespielt habe, kann ich den Kredit zurückzahlen und die Computerherzen dann auf den Markt werfen. Bis dahin wird dieser Krieg schon Geschichte sein."
Cowboy lehnt sich in seinem Sessel zurück. Reno ist jetzt anscheinend wieder ganz aus der Trance erwacht, und sein Plan, Nutzen aus den Kristallen zu schlagen, scheint der denkbar sicherste zu sein.
"Ihr könnt die Herzen direkt hierher bringen, bis ich einen Tresor mieten kann", sagt Reno. "Ich hab' hier ein doppeltes Sicherheitssystem. Das erste kann man ausschalten, wenn man weiß, wie. Das zweite - nun, damit wird keiner rechnen. Jeder, der über meine Mauer kommt, wird unter Beschuß genommen."
"Cowboy", sagt Sarah. Ihre Stimme schreckt ihn auf; er hat sich an ihren stummen Schneidersitz an der Peripherie seines Sichtfeldes gewöhnt. "Wir werden einen Lastwagen brauchen, um die Herzen herzuschaffen."
"Nehmt meinen", sagt Reno. "Er steht in der Garage." Er wühlt in seiner Tasche und fischt einen Schlüssel heraus, einen winzigen Kristall an der Spitze einer Nadel aus rostfreiem Stahl. "Der hier enthält die Codes. Ich mach' das Garagentor und das Eingangstor von hier aus auf." Er blickt von Sarah zu Cowboy. "Wollt ihr was essen?"
"Nein", antwortet Sarah, und wieder ist Cowboy verblüfft von der entschlossenen Schärfe in ihrer Stimme. "Wir sollten uns auf den Rückweg zum Panzer machen. Es gefällt mir nicht, daß ich die Fracht des Hetman allein lassen muß."
Reno zeigt mit der linken Hand. Die Fingerspitzen zittern. "Da durch! Am Ende des Flurs rechts. Die Küche ist links, falls ihr's euch anders überlegt." Er langt unter den Tisch, holt einen Stift heraus und steckt ihn in die Schläfe. Seine andere Hand langt nach der Speicherbox. "Ich muß mit ein paar Leuten reden. Mal sehen, wieviel ich dafür lockermachen kann."
"Sei vorsichtig!" sagt Sarah. Reno beachtet sie nicht. Sein Blick ist bereits geistesabwesend. Cowboy erhebt sich aus seinem Sessel.
Sarah entrollt sich wie eine wütende Katze. Ihre dunklen Augen sind auf Reno gerichtet, ihr Rückgrat ist durchgebogen. Sie geht steifbeinig davon, und Cowboy sieht die hervortretenden Muskeln an ihren Armen. Sie kommt mit ihrem Rucksack und Cowboys Pistole zurück, und Reno zeigt keine Reaktion.
"Dein Freund ist verrückt, Cowboy", sagt sie später, als sie mit dem Lastwagen durch den hellen, frühen Abend nach Süden fahren. "Sein Hirn ist so weiß, daß ich fast meine Sonnenbrille aufsetzen mußte, um ihn anzuschauen."
Cowboy fährt den Lastwagen mit dem Interface, fühlt, wie der Hydrogentreibstoff in seiner Turbine kocht, wie die Reifen über den aufgeweichten Asphalt rollen. "Ich weiß", sagt er. "Er hat einen bösen Unfall gehabt."
"Jetzt glaubt er, er sitzt an einem Knotenpunkt im Zentrum des kosmischen Datenflusses", schnaubt sie. "Was ist, wenn die himmlische Matrix ihm befiehlt, uns zu verpfeifen?"
"Er ist ein alter Freund", gibt. Cowboy unsicher zurück. "Bei uns läuft sowas nicht."
"Und was, wenn er's doch tut?" will Sarah wissen. "Tempel würde ihm mit Freuden zweitausend Kristalle statt der tausend geben, die er von uns bekommt. Und es gäbe auch keine Aufteilung von siebzig zu dreißig." Cowboy merkt, wie der Zorn in ihm hochsteigt. "Wenn er ein Verräter ist, dann sind wir auch nicht viel schlimmer dran, oder? Ich seh' nicht, daß deine Freunde uns Hilfe anbieten."
Sarahs schweigende Wut ist ihre einzige Antwort. Cowboy spürt sie als eine fast greifbare Ausstrahlung für den Rest der Fahrt.
*AUFSTAND KÜNSTLICHER INTELLIGENZEN
IN LENINGRAD IG. DATANET KOROLEV GIBT KEINEN
KOMMENTAR ZUM PROBLEM DER SICHERHEITSMASSNAHMEN*
In der Dunkelheit um vier Uhr morgens fährt Cowboy den Panzer aus dem Steinbruch, und Sarah und er laden tausend Kristallherzen in Renos leichten Lastwagen. Moskitos sirren ihre Spiralbahnen entlang und zielen auf Handgelenke, Hälse und die Vertiefung
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