Harlekins Mond
behaupten? Wie lange werden wir leben?«
Sie legte ihm die Hand auf den Mund. »Ich verspreche dir, ich werde alles aufschreiben«, sagte sie lachend. »Ich weiß schon -ich bin schließlich genauso neugierig wie du.« Sie biss sich auf die Lippen. »Ich wünschte, wir könnten gemeinsam gehen. Hey, wirst du dir die Mühe machen und nett zu Ursula sein?«
»Ich kann höflich sein. Kannst du versuchen, herauszufinden, was sie mit Andrew machen werden?«
»Wieso machst du dir immer noch Sorgen um ihn? Er hasst jeden – und ganz besonders mich.«
»Erinnerst du dich daran, was ich dir letzten Winter gesagt habe? Er liebt dich.«
Rachel schnaubte.
»Er sieht die Konsequenzen seiner Entscheidungen nicht besonders deutlich. Darum lässt er es darauf ankommen, die Räte sauer zu machen. Aber er ist clever, und ob du es glaubst oder nicht, er hat keinen grundsätzlich schlechten Charakter. Er will einfach nur immer der Beste sein, und er wird wütend, wenn er glaubt, dass er es nicht ist.« Harry hob einen Stein auf und schleuderte ihn davon, und gleich darauf noch einen. »Ich versuche, ihm zu helfen, aber manchmal rückt er für niemanden von der Stelle. Aber das ist nicht der Grund, weswegen das Ganze so wichtig ist, Rachel. Das Wichtige daran ist, dass der Rat uns so vollständig unter Kontrolle hat.« Er sah sie mit einem harten Blick an.
»Ich werde sehen, was ich herausfinden kann.«
»Gut. Wie wird dein Dad damit zurechtkommen?«
»Ich fühle mich schlecht bei dem Gedanken, ihn zu verlassen. Er wird einsam sein. Ich muss zu ihm und mit ihm reden.«
»Ich weiß.« Harry hielt sie noch fester, sodass sie ihre Arme und Beine nicht rühren konnte. »Aber ich will noch ein paar Minuten länger mit dir zusammen sein.«
Sie hätte heimgehen sollen, doch das Glühen, das sie spürte, Harrys männlicher Geruch und das Gefühl seines Körpers so nahe bei ihrem waren derart verführerisch, dass sie ihren Aufbruch noch fast eine Stunde hinausschob. Einfach nur mit Harry zusammenzusitzen und einander zu berühren, ohne viel sagen zu müssen … davon konnte sie nie, nie genug bekommen.
Harry begleitete sie den ganzen Weg bis nach Hause und küsste sie in Sichtweite ihres Zeltes. Sie begann zu protestieren. »Mein Dad wird uns noch sehen!«
»Ich glaube, er mag mich ganz gern. Ich werde ihn wohl häufiger mal besuchen, während du weg bist.«
Bevor sie ihre Tür erreichten, blieb Rachel stehen, lehnte sich gegen Harry, klammerte sich eng an ihn und atmete seinen Geruch ein. »Ich wünschte immer noch, du könntest mitkommen. Ich werde da oben einsam sein.« Die John Glenn war so weit entfernt. »Ich will nicht von dir getrennt sein. Ich liebe dich.«
Er küsste sie abermals. »Ich liebe dich auch. Aber du kannst nicht hierbleiben – nicht, wenn du die Chance hast, so viel zu lernen.«
Harry ging davon; Rachel blickte ihm hinterher, so versunken in seinen Anblick, dass sie zusammenfuhr, als ihr Vater ihr eine Hand auf die Schulter legte. »Ich hatte mich schon gefragt, worüber du und Ursula euch gestritten habt«, sagte er.
»Bist du sauer? Ist Gabriel vorbeigekommen und hat mit dir gesprochen?«
»Sauer wegen Harry? Nein. Vorsichtig allerdings schon. Und ja, Gabriel ist hier gewesen. Ich schätze, ich werde mir für eine Weile wegen dir und Harry keine Sorgen machen müssen.« Er zerraufte ihr kurzes Haar, sodass es in alle Richtungen abstand, und drückte sie an sich.
»Ich komme zurück, Daddy. Ich werde nicht zulassen, dass sie mich da oben behalten, wie sie es mit Mom gemacht haben.« Rachel wollte nicht, dass er sah, wie viel Angst sie hatte, darum beugte sie den Kopf und legte ihm die Stirn auf die Schulter. Seine Arme lagen um ihren Rücken – eine starke, beschützende Umarmung, doch sie spürte, wie ihm die Hände zitterten.
KAPITEL 12
WELTRAUM!
Von der enormen Beschleunigung, mit der das Landefahrzeug durch die Atmosphäre hinaufgerast war, fühlte sich Rachel benommen. Die Gurte schnitten ihr in Schultern und Oberschenkel. Ihr Kopf ruhte schwer auf den Nackenstützen der Andruckliege des Kopiloten. Die Außenhülle war transparent. Harlekin füllte einen Großteil des Sichtbereichs aus, er erstrahlte so hell in Apollos Licht, dass das Hinsehen schmerzte. Außerhalb der Dämpfung durch Selenes Atmosphäre wirkte der Gasriese wie verwandelt. Die Farben waren leuchtender, deutlicher voneinander getrennt und klarer erkennbar. Schnörkelförmige Stürme drehten sich über die Oberfläche.
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