Harlekins Mond

Titel: Harlekins Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Cooper Larry Niven

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doppelt so stark.
    Es gab nur den einen riesigen Baum genau im Zentrum.
    Aufgespannt zwischen dem Stamm und – den Wandungen? -der Kugel verliefen Blumenranken wie Speichen eines Rades. Die langen Blumengirlanden trugen in der Nähe des Stamms Blüten, die so groß waren wie Rachel und damit alles in den Schatten stellten, was sie auf Selene je gesehen hatte. Leuchtend gelbe Linien boten den Blumen zwischen dem Baumstamm und den Wandungen Halt. Dann wurde das alles vielleicht von Seilen festgehalten? Diese Seile mussten sehr stark sein …
    Die leeren Räume der Hohlkugel waren von Bewegung erfüllt. Leuchtende Schwingen kreisten dort; ihre Träger waren an ihrer Gestalt als menschliche Flieger zu erkennen. Die Schwingen erinnerten Rachel an die bunten Schmetterlinge auf den Wiesen beim Unterrichtswäldchen. Es gab noch andere Objekte, die ebenfalls durch die Luft flogen: runde Scheiben und Quadrate und Spindeln und Striche, bei denen es sich um Maschinen handeln musste.
    Die Beleuchtung war seltsam. Ein helles Licht von oben warf die Schatten in eine Richtung, und an manchen Stellen ließen weitere Lichter einen zweiten oder sogar dritten Schatten entstehen, wie auf Selene im Sommer, wenn sowohl Apollo als auch Harlekin die Oberfläche beschienen. Auf Selene hatte Rachel wohl hundert Pflanzen studiert, hatte es geliebt, wie sie dem Licht entgegenstrebten und sich an der Vielfalt von Blättern und Stängeln und Blüten erfreut. Hier gab es sicherlich hundert mal hundert Pflanzenarten, und die veränderten Licht- und Schattenverhältnisse ließen sie alle phantastisch, wunderschön und mysteriös aussehen.
    »Dies wird deine Schule sein!«
    Kyu Hos Stimme holte Rachels Aufmerksamkeit zurück ins Hier und Jetzt. Sie befand sich immer noch in der Schwebe, Kyu Ho jedoch nicht. Die kleinere Frau stand auf einem Kiesweg, ein Dutzend Meter von dem Baum entfernt.
    Rachel stieß sich nach unten, drehte sich in der Luft und setzte mit den Füßen auf. Sie war stolz darauf.
    Und sie hatte einen wahren Heißhunger. Das Frühstück hatte sich schon um Stunden hinausgezögert.
    Kyu Ho sagte: »Das ist Yggdrasil, der Mittbaum. Wir haben ihn extra so konzipiert, dass er entlang der Rotationsachse wächst; wir haben 20 Versuche gebraucht, bis wir einen hatten, der gesund geblieben und gerade gewachsen ist. Dieser Baum ist über 1000 Jahre alt.«
    Rachel schluckte. So etwas kam ihr unmöglich vor.
    Mit ausgreifendem, federndem Gang führte Kyu Ho Rachel einen breiten Weg entlang, der zu beiden Seiten gesäumt war von Kästen die vor Grün überquollen; sie begannen als Ring um den Fuß des Mittbaums und zogen sich dann in sanfter Steigung die Kugelwandung hinauf. Der Gehweg war rau, seine Oberfläche war grau gestrichen, und beim Darübergehen erklangen hohle Geräusche. Er sah aus wie kiesbestreut, obgleich es hier keine losen Kiesel gab, die sich in Geschosse hätten verwandeln können, wenn die John Glenn manövrierte.
    Der Weg verlief in einer Spirale, und nachdem sie den Fuß des Riesenbaums zweimal umrundet hatten, gelangten sie an ein Gestell mit Flugschwingen. Kyu reichte Rachel ein Paar. Die Schwingen glichen jenen, mit denen sie auf Selene flog, nur dass an ihnen jede Kleinigkeit makellos war; das Metall war poliert, die Gelenke und Gurte schimmerten und waren von höchster Qualität.
    Kyu drehte sich um und sah Rachel an. »Es ist wichtig, dass du in meiner Nähe bleibst. Die Schwerkraft hier ist unterschiedlich stark. Sie entsteht durch Rotation – darum ist man in dem Teil der Sphäre, der auf einem Planeten dem Äquator entspräche, am schwersten. Wir haben dort den Fluss angelegt.« Sie lachte. »Oder vielleicht hat sich der Fluss selbst dort angelegt. Das Wasser wird durch Spin-Gravitation – Zentrifugalkraft – dort festgehalten. An den Polen entspricht die Gravitation lediglich unserem Schub – das heißt, hier gibt es nur dann Schwerkraft, wenn uns unsere Triebwerke vorwärtsbewegen. Im Moment tun sie das nicht. Drüben am Baum hast du dich schwerelos gefühlt. In der Röhre – du erinnerst dich an die Röhre? – haben wir uns auf der Null-g-Achse befunden; zwischen uns und der Nulllinie befinden sich Vorratsräume, Labors und das Wurzelwerk des Mittbaumes« – sie deutete auf den gewaltigen Zentralbaum -»über dem du gerade stehst.«
    Rachel schaute auf ihre Füße. Ihr Körper fühlte sich leicht an, und sie war sicher, ein Schlag hätte genügt, um sie davonfliegen zu lassen.
    Kyu fuhr fort: »Hier