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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einzlkind
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gibt es einen kleinen Positionskampf zwischen Capulet und Windmaker. Windmaker hat in dieser Saison schon hervorragende Platzierungen in Paris und Baden-Baden abgeliefert und in Mailand wurde er Zweiter, vor Flamineo. Am Ende des Feldes haben Orpheus und Karmen la Rock Schwierigkeiten Anschluss zu halten.
    Mit 20 Pfund hätte Harold Toilettenpapier für drei Monate kaufen können, er hätte ein Solarium anzahlen oder ein Jahr lang ein dünnes Kind aus der dritten Welt ernähren können. Auf die Idee, einen Renn- und Wettverein zu unterstützen, ist Harold bisher noch nicht gekommen.
    Flamineo biegt als erster in die Zielgerade ein, gefolgt von Penny Lane. Vier Längen dahinter eine große Gruppe mit Windmaker und Capulet, die aber wohl schon geschlagen sind. Flamineo zieht noch mal an. Flamineo mit Dwight Hanson, Flamineo setzt sich ab, Penny Lane kann nicht mehr folgen, Flamineo jetzt mit zwei Längen Abstand, das sollte reichen.
    Harold versucht enttäuscht zu sein, aber die Busfahrkarten für die Rückfahrt sind schon gekauft. Sie müssen nicht laufen.
    Flamineo gewinnt mit drei Längen Vorsprung vor Penny Lane und jetzt kommt das Hauptfeld mit Windmaker an der Spitze rein. Aber viel spannender ist der Kampf gegen den letzten Platz. Unglaublich. Kopf an Kopf liegen Orpheus und Karmen la Rock. Anscheinend will keiner von beiden hier als letzter durchs Ziel gehen. Noch 300 Meter.
    Melvin legt den Kopf schräg,
    Orpheus jetzt mit einem Kopf vor Karmen la Rock. Noch 200 Meter.
    Melvin legt den Kopf noch schräger.
    Karmen la Rock gibt sich nicht geschlagen, aber Orpheus liegt noch immer vorne. Noch 100 Meter.
    In Melvins Kopf ist kein Blut mehr vorhanden. Er erinnert sich, dass er atmen muss.
    Karmen la Rock kommt noch mal, Karmen la Rock, noch 20 Meter, Karmen la Rock jetzt eine Nasenlänge vorn, es ist Karmen la Rock.
    Melvin stirbt.
    Orpheus wird Letzter.
    Melvin schiebt seine Brille die Nase hoch und kratzt sich mit dem rechten Zeigefinger am Kinn. Er öffnet den Klettverschluss seiner Umhängetasche auf der ein Rehkitz auf grüner Wiese mit blauem Himmel gestickt ist, durchwühlt kleine Seitentaschen, aus denen er diverse aufgerissene Bonbon- und Schokoladenverpackungen hervorholt und wieder umschichtet, derweil er Geräusche von sich gibt, wie sie in Comic-Heften beschrieben werden, wenn die Helden in ein großes Tohuwabohu verwickelt sind, und hält schließlich, nachdem die Suche sich als ein großer Erfolg erweist, stolz einen Fünf-Pfund-Schein in der Hand.
    »Wir werden uns jetzt mit Limonade betrinken gehen. In einem richtigen Pub. Dort, wo die Männer nach übermäßigem Bierkonsum körperliche Gewalt ausüben und die leichten Mädchen auf den Tischen tanzen. Ich möchte wissen, wie der Pöbel feiert. Meine Ma sagt zwar immer, das wäre noch nichts für mich, aber mit Ihnen an meiner Seite wird sie bestimmt nichts dagegen haben. Ach ja, und wenn Sie möchten, erschießen Sie den Trainer.«
    10
    Es ist der Tisch in der Ecke neben dem Eingang, es ist nichts anderes frei, auch die Plätze an der Bar sind alle belegt. Auf dem Tisch steht eine graue Tulpe, deren hängender Kopf nur noch zwei Blütenblätter halten kann. Die drumherumliegenden Blätter sind entweder als Dekoration gedacht oder aber ein Zeichen dafür, dass in den letzten Wochen noch niemand die Zeit gefunden hat, den Tisch zu wischen. Der Aschenbecher sieht aus wie ein Flüchtlingsboot. Eine Pyramide aus Zigaretten, ein Kunstwerk aus einer längst vergessenen Zeit. Noch an den Rändern klammern sich im rechten Winkel gekrümmte Exemplare, um nicht hinabzufallen. Jede weitere Zigarette würde dieses Denkmal zum Einsturz bringen.
    Über eine Stunde waren Harold und Melvin unterwegs. Acht verschiedene Pubs haben sie betreten, aber keiner konnte sich mit Melvins Erwartungen messen. Weder Bills Kitchen oder Capotes Club noch das Waterloo oder das Solsbury Hill . Erst als Melvin in die unbeleuchtete Gasse abbog, die keinen Straßennamen hat und von der Müllabfuhr als neutrale Zone angesehen wird und die Harold auch tagsüber nur mit einer in Häuserkämpfen erprobten und mehrfach ausgezeichneten Spezialeinheit betreten würde, erst als sie diese Frau sahen, mit ihren hohen Absätzen und den dunklen Netzstrümpfen, mit dem roten Oberteil und den blinkenden Pailletten, mit der gefärbten Blondheit und der fliehenden Schminke, wie sie sich gekrümmt an den Stromkasten klammerte und die Hälfte ihres Gewichts in ekstatischen Schüben auf die

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