Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
Miene nach zu urteilen sah Tolliver das mit
denselben gemischten Gefühlen wie ich.
»Glaubst du,
wir sollten Art anrufen?« Art Barfield ist unser Anwalt, seine Kanzlei befindet
sich in Atlanta.
»Das könnte
nicht schaden«, erwiderte ich. »Redest du mit ihm?«
»Klar.«
Tolliver holte sein Handy heraus, während ich zum Waschbecken ging und mir das
Gesicht wusch. Nachdem ich das Wasser abgestellt hatte, konnte ich hören, was
er sagte. Ich kämmte mir gerade die Haare vor dem Spiegel - meine Haare sind fast
so dunkel wie die von Tolliver -, als er auflegte.
»Seine
Sekretärin sagt, er habe gerade einen Mandanten da, aber er ruft so bald wie
möglich zurück Natürlich wird er uns eine Riesenrechnung stellen, wenn wir ihn
bitten, herzukommen. Falls er dort überhaupt weg kann.«
»Er wird kommen
oder uns jemanden vor Ort empfehlen. Wir haben ihn erst einmal um so etwas
gebeten , außerdem sind wir seine
spannendsten Mandanten", sagte ich nüchtern. »Wenn er nicht kommt, sind
wir erledigt.«
Art rief
eine Stunde später zurück. So wie Tolliver auf ihn einredete, schien er nicht
sehr begeistert davon zu sein, herzukommen. Art war nicht mehr der Jüngste und
verließ sein gemütliches Zuhause nur ungern. Aber als Tolliver ihm von den
Journalisten erzählte, ließ sich der Anwalt überreden, sofort ein Flugzeug zu
nehmen. Art liebt Publicity genauso wie seine Fernbedienung und die Kochkünste
seiner Frau. Er hat Geschmack daran gefunden, seit er unser Anwalt ist, und im
Zuge dessen hat seine Kanzlei deutlich an Mandanten gewonnen.
»Corinne wird euch sagen, wann ich ankomme«, meinte Art; obwohl
er mit Tolliver sprach, konnte ich ihn deutlich hören. Er hat eine dieser
lauten Stimmen, was für einen Strafverteidiger wirklich praktisch ist.
Seine
Sekretärin Corinne, eine Frau mittleren Alters, rief uns
wenige Minuten später an, um uns Arts Flugnummer sowie
seine voraussichtliche Ankunftszeit durchzugehen.
»Ich halte
es für keine gute Idee, Art vom Flughafen abzuholen«, sagte ich zu Corinne. Ich sah, wie ein weiterer Ü-Wagen auf den Parkplatz
fuhr. »Und ich glaube, wir sollten in ein Hotel ziehen, das besser gesichert
ist als dieses hier.«
»Am besten,
Sie ziehen gleich um, und ich buche Mr Bar field ein Zimmer im selben Haus«, sagte Corinne. »Ich geb ihm per Handy Bescheid, sobald er gelandet ist. Ach was, ich
werde ein, zwei Anrufe machen, einen geeigneten Platz recherchieren und für Sie
alle reservieren. Zwei Einzel- oder ein Doppelzimmer für Sie und Mr Lang?«
Das Hotel
war bestimmt sehr teuer, und normalerweise teile ich mir gern ein Zimmer mit
Tolliver, so wie jetzt auch. Aber wenn Journalisten herumschnüffeln, sollte man
sich mit Justifia lieber gutstellen.
»Zwei
Einzelzimmer«, sagte ich. »Nebeneinander. Noch besser wäre eine Suite.«
»Ich
recherchiere kurz und melde mich dann wieder«, sagte die hocheffiziente Corinne.
Sie rief uns
zurück und sagte, sie hätte im Cleveland reserviert. Das war, wie befürchtet,
ein viel zu teures Hotel für meinen Geschmack, aber wenn es um meine
Privatsphäre geht, ist mir alles recht. Ich bin nicht gern im Fernsehen.
Publicity ist gut fürs Geschäft, aber nur wenn es die richtige Art von
Publicity ist.
Bevor wir
unser Motel verließen, verkleideten wir uns so gut es ging, ohne lächerlich zu
wirken. Als wir durch eine der Seitentüren hinausgingen und auf kürzestem Weg
zu unserem Wagen liefen, hatten wir unser gesamtes Gepäck geschultert. Weil wir
so schlicht aussahen - Tolliver trug die Kühltasche und ich unsere Reisetaschen
-, gelang es uns, unbemerkt zu bleiben, bis wir den Parkplatz schon fast
verlassen hatten. Eine Nachrichtenmoderatorin, deren Lippen durch eine dicke
Schicht Lipgloss stark glänzten, sprintete plötzlich neben das Fahrerfenster.
Jetzt sah Tolliver nicht mehr genug, um links abbiegen zu können, und wir saßen
mehr oder weniger in der Falle. Er ließ die Scheibe herunter und setzte ein
freundliches Lächeln auf.
»Shellie Quail von Kanal Dreizehn«, sagte die wie aus dem Ei gepellte
Frau. Ihr Teint hatte die Farbe von heißer Schokolade, und ihr schwarzes Haar
schimmerte, als sei es auf Hochglanz poliert worden. Sie trug einen glatten
Pagenkopf. Shellie Quails Make-up ähnelte einer
Kriegsbemalung - jede Menge grelle Farben lind kräftige Linien. Ich überlegte,
wie lange sie wohl brauchte, um morgens das Haus zu verlassen. Sie trug einen engen
Hosenanzug aus braunem Tweed mit orangefarbenen Sprenkeln. Die Sprenkel
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