Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
den, der aussah wie ungefähr fünfunddreißig?«
»Dunkelbraune
Haare, 1,75, von mittlerer Statur.«
»Genau. Ja,
natürlich habe ich den bemerkt. Er war eindeutig anders als die anderen.«
»Fandest du
irgendwas an ihm verdächtig? «
»Da war noch
eine ältere Student in «, sagte ich zögernd, ohne Tolliver zu
widersprechen.
»Ja, aber
die sah ganz normal aus. Der Typ war irgendwie komisch, er war aus einem ganz
bestimmten Grund da und nicht, weil er musste. Meinst du nicht auch, dass er
nur da war, um sich unsere Arbeitsweise anzusehen und uns bloßzustellen?«
»Nun, ich
glaube, das war eher Clyde Nunleys Absicht, als er das
Seminar ins Leben rief. Er hatte bestimmt nie vor, die Studenten
unvoreingenommen an Menschen mit paranormalen Fähigkeiten heranzuführen. Er
will nur beweisen, dass das alles Humbug ist.«
»Ja, aber anders
als... Keine Ahnung warum , aber
dieser Typ führte irgendwas im Schilde, der hatte einen Plan.«
»Ich weiß,
was du meinst«, sagte ich.
»Meinst du,
man hat uns in eine Falle gelockt?«
»Ja,
allerdings. So einen unglaublichen Zufall kann es gar nicht geben.«
»Aber
warum?« Tolliver drehte den Kopf, um mich anzusehen.
»Und wer
steckt dahinter?«, setzte ich nach.
Er sah
genauso besorgt aus wie ich.
Ich bin auf
Mundpropaganda angewiesen. Aber auf Mundpropaganda unter der Hand. Wenn ich
eine Schar von Zeitungs- und Fernsehjournalisten im Schlepptau habe, wird mich
die Hälfe meiner Kunden nicht mehr anrufen. Es gibt ein paar wenige, die nichts
lieber hätten als Publicity, aber eben nur wenige. Den meisten ist es peinlich,
dass sie mich überhaupt engagieren, weil sie nicht leichtgläubig wirken wollen.
Manche sind verzweifelt genug, um genau das zu sein. Aber nur sehr wenige
wollen sich dabei zusehen lassen.
In Maßen
kann eine Berichterstattung in den Medien auch wieder nützlich sein. Einmal
schrieb ein wirklich guter Journalist eine Geschichte über mich für eine
Anwaltszeitschrift, und der Artikel verschafft mir noch heute Aufträge. Viele
haben ihn ausgeschnitten, und wenn alle Stricke reißen, können sie über meine
Website Kontakt zu mir aufnehmen. Meine Preise schrecken allerdings viele ab,
die sich nach meinen Leistungen erkundigen. Aber ich bin kein Anwalt, und
niemand sollte mich fragen, ob ich unentgeltlich arbeite. Leider passiert das
sehr oft, doch ich lehne stets ab.
Trotzdem
melde ich jede Leiche, die ich finde. Wenn ich bei meiner Arbeit auf eine
stoße, gebe ich das an, ohne auch nur einen Cent dafür zu verlangen.
»Wer,
glaubst du, würde so etwas aushecken? Jemand, der mit meinen Leistungen
unzufrieden war?«, fragte ich die Zimmerdecke.
»Seit
Tabitha haben wir alle gefunden«, sagte Tolliver.
Ja, ich
konnte auf zahlreiche Erfolge zurückblicken: Fälle mit genügend
Vorabinformationen, damit ich gleich loslegen konnte. Und ich ließ nicht so
schnell locker. Die Leichen wurden gefunden, die Todesursachen bestätigt, und
das Geld floss auf mein Konto.
»Vielleicht
jemand vom College, der herausfinden woll te, was es mit diesem merkwürdigen Seminar auf sich hat?«, sagte ich
aufs Geratewohl.
»Vielleicht.
Oder jemand von St. Margaret, der fand, der Friedhof würde entweiht.«
Wir
schwiegen nachdenklich und unglücklich wegen der vielen Möglichkeiten.
»Ich bin
trotzdem froh, dass ich sie gefunden habe«, sagte ich schließlich. »Egal, was
noch passiert.«
Mein Bruder,
der meinen Gedanken wie so oft gefolgt war, sagte: »Ja.«
»Nette
Leute«, meinte ich.
»Und du hast
nie an das gedacht, was die Polizei vermutet...?«
»Nein«,
sagte ich. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Joel das getan hat. Heutzutage
verdächtigen alle als Erstes den Vater. Hat er sie missbraucht?« Ich benutzte
meine Fernsehansager-Stimme. »Verbirgt sich ein dunkles Geheimnis in diesem
Haus, das von außen so normal wirkt?« Ich lächelte verbittert. Die Leute
glauben nur zu gern an dunkle Geheimnisse - sie lieben es, wenn sich
herausstellt, dass scheinbar glückliche, normale Familien alles andere als
glücklich und normal sind. Aber es stimmt schon, manchmal gibt es natürlich
Geheimnisse, die man nicht auf sich beruhen lassen darf. Aber Joel und Diane
Morgenstern sind mir wirklich wie ausgesprochen liebevolle Eltern vorgekommen,
und ich habe schon genügend andere erlebt, um das beurteilen zu können.
»Ich habe
keine Sekunde lang an so etwas geglaubt«, wiederholte ich. »Trotzdem... sie
sind hier. In Memphis.« Wir sahen uns an. »Wie zum Teufel
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