Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
Erde und Steine hindurch und
erhaschte einen Blick in die Hölle. An mehr kann ich mich nicht erinnern.
4
»Wacht sie
irgendwann auch mal wieder auf?« Die Stimme gehörte Sandra Rockwell, so weit
erinnerte ich mich noch, aber sie klang fremd und angestrengt.
»Harper?«,
sagte mein Bruder. »Harper?«
Ich wollte
nicht, aber ich musste.
»Gut«, sagte
ich und hörte mich dabei genauso zittrig an, wie ich mich fühlte. »Haben Sie
sie schon gefunden?«
»Sagen Sie
mir, was ich tun soll«, sagte Sheriff Rockwell und
klang dabei so, als wünschte sie sich ganz weit weg.
Ich musste
die Augen aufmachen und in die ängstlichen braunen Augen unter der Hutkrempe
schauen. Sheriff Rockwell trug eine Steppjacke, die sie
doppelt so breit wirken ließ.
»Es sind
alle da«, sagte ich. »Wenn Sie noch eine Minute warten, kann ich Ihnen auch
sagen, wer wo liegt. Und es sind acht und nicht sechs.«
»Woher
wissen Sie das?«
Ich saß mit
zurückgelehntem Kopf auf dem Rücksitz von Twylas Wagen.
»Hier, iss
etwas Zucker«, drängte mich Tolliver und fummelte ein Bonbon aus seiner
Jeanstasche. Er wickelte es für mich aus dem Papier und steckte es mir in den
Mund. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es mir dann gleich besser geht, vor
allem, wenn ich eine Cola trinke.
»Sie waren
bereit, mir zu glauben, bevor ich auch nur irgendetwas unternommen hatte«,
sagte ich. »Schenken Sie mir noch ein bisschen Vertrauen. Graben Sie!«
»Wenn Sie
lügen, landen Sie im Gefängnis«, sagte sie.
»Und zwar
verdientermaßen.«
Mühsam
drehte ich den Kopf und sah aus dem Wagenfenster. Ein paar Hilfssheriffs
standen auf dem Grundstück. Twyla war bei ihnen. Ihr Gesichtsausdruck hätte den
abgebrühtesten Betrüger in Tränen ausbrechen lassen - aber vielleicht auch
nicht. Auf unseren Reisen haben wir so einige Betrüger kennengelernt, und den
meisten ist Mitleid fremd. Das liegt einfach nicht in ihrer Natur.
»Zeigen Sie
mir, wo«, sagte Sheriff Rockwell, und Tolliver half mir
aus dem Wagen. Langsam arbeiteten wir uns bis zu dem Punkt vor, an dem ich in
Ohnmacht gefallen war, und obwohl ich am ganzen Leib zitterte, weil ich den Tod
erneut spüren musste, blieb ich an der Stelle stehen, wo ich die frischeste
Leiche wahrgenommen hatte.
»Hier«,
sagte ich und zeigte direkt auf das Fleckchen Erde unter mir. Ich wusste auch,
wer es war. Hier lag Jeffs Leiche, die von Twylas Enkel. Tolliver zückte ein
Notizbuch mit Spiralbindung, das in der Innentasche seiner Jacke gesteckt
hatte. Darin befand sich eine grobe Skizze des Grundstücks. »Dort liegt Jeff,
Jeff McGraw«, sagte ich zu Tolliver. »Er wurde erwürgt.« Tolliver steckte ein
Stück Draht in den Boden. Das rote Fähnchen flatterte in der steifen Brise. Er
legte seinen linken Arm um mich und nahm meine rechte Hand. Ich wies mit dem
Kinn in die Richtung, die wir einschlagen mussten, ein Stück bergauf nach
Norden, und blieb dann über einer weiteren Leiche stehen. Tränen rollten über meine
Wangen... Noch nie hatte ich solches Leid erlebt. »Hier«, sagte ich. »Chester.« Zwei Meter weiter lag ein Junge, den Sheriff Rockwell nicht erwähnt hatte. »Hier liegt jemand, der
so ähnlich heißt wie Chad, der Nachname beginnt mit T.« Sheriff Rockwell kritzelte etwas in ihr Notizbuch. Auch
die Hilfssheriffs hörten mir zu, aber sie machten einen äußerst skeptischen,
aggressiven Eindruck. Was sollte es, ich würde sie bald eines Besseren
belehren.
Ich folgte
dem nächsten Signal ans hintere Ende des Grundstücks, wo es immer steiler
wurde. Die Leiche lag hinter einer Ansammlung von Büschen. Ich wischte mir mit
einem Taschentuch übers Gesicht und sagte, »Dylan«, woraufhin ich ein Stück
weit nach Süden stolperte. Jetzt befand ich mich hinter dem Haus. Sheriff Rockwell und Twyla folgten mir, ebenso die
Hilfssheriffs. »Aaron«, sagte ich. »Gab es da nicht auch einen Aaron?« Dann
ging es wieder ein paar Meter südwärts. Diese Leiche war aus irgendeinem Grund
nicht so leicht ausfindig zu machen. Das Entsetzen und die Panik des Jungen
hatten zu einer Art Kurzschluss in seinem Gehirn geführt, als er starb. »Ich
glaube, das ist Tyler«, sagte ich. Und dann ging ich zu dem südlichsten Grab,
von dem ich aus irgendeinem Grund wusste, dass es das älteste war. Die
Schwingungen, die von ihm ausgingen, waren einen Tick schwächer. »Das ist der
Erste«, sagte ich zu Sheriff Rockwell, die mit uns
Schritt hielt, was allerdings nicht besonders schwer war, da ich inzwischen
ganz
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