Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Titel: Harper Connelly 04 - Grabeshauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
wie um Mariella übers Haar zu streichen. Aber sie zuckte zurück und
     klammerte sich nach wie vor an die Hand ihres Bruders, als hätte sie Angst, ihn zu verlieren.
    Auf der Bahn war nicht besonders viel los, aber die Leute begannen unser angespanntes kleines Grüppchen zu beobachten. Mir
     waren die Zuschauer egal, aber vor den Mädchen wollte ich es auf keinen Fall zu irgendeiner Konfrontation kommen lassen, sei
     sie nun körperlicher oder verbaler Art.
    »Du solltest jetzt gehen«, sagte ich. »Und wir bringen die Mädchen wieder nach Hause. Du hast uns einen schönen Tag verdorben.
     Mach es bitte nicht noch schlimmer.«
    »Ich möchte meine Kinder sehen«, wiederholte er.
    »Du hast sie vor dir. Du hast sie also gesehen. Und jetzt geh, bitte!«
    »Ich gehe nur wegen der Kleinen«, sagte er und nickte Mariella und Gracie zu, die verwirrt waren und sich elend fühlten. »Wir
     sehen uns bald, Tolliver.« Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und verließ die Bahn.
    »Er ist uns gefolgt«, sagte ich überflüssigerweise.
    »Wahrscheinlich hat er uns irgendwo bei Ionas Haus abgepasst«, sagte Tolliver. Wir starrten uns an und verschoben jede weitere
     Diskussion auf später. Gleichzeitig holten wir tief Luft. Wenn wir nicht so verstört gewesen wären, hätten wir beinahe darüber
     lachen können.
    »Gut«, sagte ich bemüht fröhlich zu meinen Schwestern. »Gut, dass wir das hinter uns haben. Wir werden mit eurer Mutter darüber
     sprechen. Es wird nicht noch mal vorkommen. Aber bis zu diesem Moment hatten wir doch viel Spaß zusammen, stimmt’s?« Ich redete
     Blödsinn, aber zumindest lösten sich die Mädchen wieder aus ihrer Erstarrung und zogen die Schlittschuhe aus. Sie wirkten
     nicht mehr wie Rehe, die vom Scheinwerfer eines Autos hypnotisiert werden.
    Auf der Heimfahrt waren unsere Schwestern ungewöhnlich schweigsam, was nicht weiter verwunderlich war. Sie purzelten aus dem
     Wagen und stürmten ins Haus, als hätten sie Angst vor Scharfschützen. Tolliver und ich folgten ihnen langsam. Wir waren nicht
     gerade wild darauf, Iona und Hank von dem Vorfall zu berichten. Dabei konnten wir nicht das Geringste dafür.
    Wir wunderten uns nicht, dass unsere Tante und unser Onkel bereits in der Küche auf uns warteten.
    »Was ist passiert?«, fragte Iona. Zu meinem Erstaunen wirkte sie nicht böse, höchstens besorgt.
    »Mein Dad stand plötzlich auf der Eisbahn«, sagte Tolliver ohne Umschweife. »Keine Ahnung, wie lange er uns beobachtet hat,
     bis wir ihn entdeckt haben.« Er zuckte die Achseln. »Er war nicht high und auch nicht aggressiv. Aber die Mädchen sind völlig
     durcheinander.«
    »Wir hatten Spaß, bevor wir ihn entdeckt haben«, sagte ich und merkte selbst, wie wenig überzeugend das klang. Aber ich fühlte
     mich einfach verpflichtet, darauf hinzuweisen.
    »Er hat uns letzte Woche geschrieben«, sagte Hank. »Wir haben nicht darauf reagiert. Ich hätte nie gedacht, dass er so etwas
     tun würde.«
    Sie hatten also ebenfalls ein schlechtes Gewissen, weil sie uns nicht vorgewarnt und gesagt hatten, dass Matthew aus dem Gefängnis
     entlassen worden war.
    Obwohl ich diesen Wissensvorsprung ungern verlor, sagte ich: »Er ist schon eine ganze Weile wieder in Freiheit. Als wir mit
     Mark essen waren, hat er uns davon erzählt. Aber er hat nur gesagt, dass Matthew einen Job hätte und clean wäre.«
    »Oh, Mark hat Kontakt zu seinem Dad?« Iona runzelte die Stirn und ließ sich schwerfällig auf einen der Küchenstühle sinken.
     Zögerlich setzten wir uns ebenfalls. Wir staunten, dass uns die Gorhams nicht hinauswarfen oder für den Vorfallverantwortlich machten. »Dieser Mark ist einfach zu gutherzig, was seinen Vater anbelangt«, sagte Iona.
    Insgeheim pflichtete ich ihr bei. Vielleicht doch nicht so insgeheim, denn Tolliver warf mir einen vielsagenden Blick zu.
     Er durchschaute mich sofort.
    »Hast du eine Ahnung, was er will?«, fragte Iona plötzlich.
    »Wie meinst du das?«
    »Na, wegen deiner besonderen Fähigkeiten!« Iona fuchtelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, als vertriebe sie eine Schnake.
    »Ich kann nicht hellsehen, Iona. Ich wüsste selbst gern, was Matthew will. Aber alles, was ich kann, ist Leichen finden.«
     Zu spät, ich entdeckte Mariella hinter Ionas Rücken. Sie war soeben aus dem Flur in die Küche gekommen. Ihre Augen waren weit
     aufgerissen. Aber das dürfte sie eigentlich nicht so sehr schockieren. Was hatten Iona und Hank dem Kind bloß erzählt?

Weitere Kostenlose Bücher