Harper Connelly 04 - Grabeshauch
haben.
»Bitte kommen Sie und besuchen Sie ihn«, sagte Beverly.
»Ist er bei Bewusstsein?«
»Nein«, sagte sie, und an ihrem Tonfall merkte ich, dass Detective Powers vielleicht nie wieder das Bewusstsein erlangen würde.
Die große Frau nahm meinen Arm, führte mich in einen verglasten Raum und sah ihren Mann an. Er sah furchtbar aus und war völlig
weggetreten. Ich weiß nicht, ob das an den Medikamenten lag oder ob er sich im Tiefschlaf oder im Koma befand.
»Es tut mir so leid«, sagte ich. Er würde sterben. Ich kann mich auch täuschen – der Tod kann über den Menschen hängen wie
ein Schatten, der sich niemals senkt –, aber bei Detective Powers war ich mir ziemlich sicher. Ich wünschte, dass ich mich irrte.
»Danke, dass Sie mir noch ein bisschen mehr Zeit mit ihm geschenkt haben«, sagte sie. Wir standen eine Weile schweigend da.
»Ich muss zurück zu meinem Bruder«, sagte ich. »Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie mit mir geredet und mir erlaubt haben,
ihn zu sehen. Bitte sagen Sie ihm, wie dankbar ich ihm bin für das, was er für mich getan hat.«
Ich tätschelte Beverly unbeholfen die Schulter und bahnte mir einen Weg zu Manfred, der meine Hand nahm und auf den Liftknopf
drückte. Die Tür öffnete sich sofort, und wirbetraten einen leeren Fahrstuhl. Ich betete darum, dass sich die Tür schloss und die traurige Szene unseren Blicken entzog.
»Ich bin froh, dass du dabei warst«, sagte ich. »Das muss ziemlich anstrengend für dich gewesen sein.«
»Ach, Quatsch, ich liebe es, in die Höhle des Löwen zu gehen, mit einem Schild um den Hals, auf dem steht: Heute frisches
Lammfleisch.« Jetzt, wo wir allein waren, sah der kurz zuvor noch so ausdruckslose Manfred genauso erleichtert aus wie ich.
Wir hielten uns dermaßen fest an den Händen, dass sich unsere Knochen berührten. Genau in dem Moment, als ich merkte, wie
weh das tat, lockerte er seinen Griff.
»Das war heftig«, sagte er mehr oder weniger normal. »Was machen wir jetzt? Mit Alligatoren ringen?«
»Nein, ich dachte, wir gehen mittagessen. Und danach muss ich zu Tolliver.« Wir fuhren gerade zurück zum Hotel, als Manfred
fragte: »Hat der Arzt schon verraten, wann Tolliver entlassen wird?«
»Er darf morgen raus. Ich werde ihn allerdings pflegen müssen. Vielleicht sollte ich mich um eine Suite in einem anderen Hotel
bemühen und aus dem jetzigen Zimmer ausziehen. Kann sein, dass wir noch ungefähr eine Woche bleiben, denn der Arzt meinte,
dass Tolliver Ruhe braucht. Er muss überwiegend liegen, und ich möchte ihn nicht beunruhigen.«
»Du bist also tatsächlich mit Tolliver zusammen? Und er ist der Richtige?«, fragte Manfred plötzlich ernst.
»Er ist der Richtige«, bestätigte ich. »Das war er schon, als ich ihm das erste Mal begegnete. Aber du warst immer die zweitbeste
Lösung.« Ich rang mir ein Lächeln ab, und zu meiner Erleichterung wurde es erwidert.
»Dann werde ich meinen Suchradius wohl oder übel erweiternmüssen«, sagte er theatralisch. »Vielleicht ziehe ich eine Meerjungfrau an Land.«
»Wenn hier jemand eine Meerjungfrau findet, dann du«, sagte ich.
»Apropos Meerjungfrauen: Suchst du gerade im Rückspiegel nach einer oder hast du nur Angst wegen meines Fahrstils?«
»Ich versuche herauszufinden, ob uns jemand folgt. Das ist mir hier schließlich schon mal passiert, aber ich kann beileibe
niemanden entdecken. Nur gut, dass ich keine Polizistin bin.« Manfred hielt ebenfalls die Augen offen, aber auch ihm fiel
kein Wagen auf, der unsere Manöver imitierte. Bei dem Verkehrsaufkommen sagte das zwar nicht viel, aber ein bisschen beruhigt
war ich trotzdem.
Als wir das Hotel erreichten, packte ich meine Sachen und checkte aus. Aber erst nachdem ich ein anderes Kettenhotel in der
Nähe angerufen und nach einer Suite gefragt hatte. Wie sich herausstellte, war noch eine frei, und ich buchte sie unter Tollivers
Namen. Der anonyme Anrufer hatte meine Hoteladresse gekannt. Obwohl es ihm nicht schwerfallen dürfte, mich erneut ausfindig
zu machen, musste ich es ihm nicht extra leicht machen. Ich reservierte die Suite für sechs Nächte. Bestimmt konnte ich jederzeit
früher abreisen, wenn Tolliver schon vorher reisefähig wäre. Ich rief auch Mark an, um ihm zu sagen, wo wir steckten. Dann
fuhr mich Manfred zum neuen Hotel und half mir mit unserem Gepäck.
Anschließend gingen wir in ein Familienrestaurant mit einer langen Salatbar. Es wurde Zeit, dass ich endlich
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