Harper Connelly 04 - Grabeshauch
habe angerufen, um sich nach ihm zu erkundigen. Da ich Tolliver allein gelassen hatte,
wollte Matthew noch vorbeikommen.
Ich war wütend auf Tolliver, und er war wütend auf mich – und das nur, weil ich mich von jemand anderem hatte begleiten lassen.
Normalerweise ist Tolliver weder launisch noch reizbar noch unvernünftig. Heute war er alles auf einmal.
»Ach, Tolliver!«, sagte ich nicht gerade liebevoll. »Konntest du nicht einfach durchhalten, bis ich wiederkomme?«
Er starrte mich an, aber ich sah, dass es ihm bereits leidtat, mit seinem Vater gesprochen zu haben. Trotzdem, es war zu spät.
Anscheinend hatte McDonald’s äußerst flexible Arbeitszeiten, denn kurz darauf klopfte Matthew an die Tür.
Als Matthew das Wohnzimmer betrat und zu seinem Sohn ging, während ich ihm die Tür aufhielt, sah ich ihm nach. Ich erstarrte,
die Hand noch an der Klinke. Matthew war der Mann, den ich beim Verlassen des Gebäudes, in dem Dr. Bowdens Praxis war, beobachtet hatte. Er hatte die Lobby auf der anderen Seite verlassen, während wir sie gerade betreten
hatten. Er trug dieselben Sachen, hatte denselben Gang und dieselbe Figur.
Manfreds Blick folgte dem meinen, und er riss die Augen auf. Er stellte mir eine stumme Frage. Kurz darauf schüttelte ich
den Kopf. Es war sinnlos, ihn zur Rede zu stellen – zumindest konnte mein verwirrter Kopf im Moment keinen Vorteil darin erkennen.
Wenn Matthew zugab, dort gewesen zu sein, hätte er einfach behauptet, dort einen anderen Arzt, Anwalt oder Steuerberater aufgesucht
zu haben, warum auch immer. Ich konnte ihm schließlich schlecht das Gegenteil beweisen. Aber seineAnwesenheit in Tom Bowdens Gebäude war mit Sicherheit kein Zufall.
Nicht im Traum wäre ich auf die Idee gekommen, Matthews Auftauchen im Leben seiner Kinder könnte etwas mit den Joyces zu tun
haben.
Anstatt den drei Männern Gesellschaft zu leisten, ging ich ins Schlafzimmer und setzte mich auf die Bettkante. Ich fühlte
mich, als hätte mir jemand eine Autotür gegen die Beine geknallt, bevor ich ganz eingestiegen war. Ich zwang mich dazu, mich
auf eine von den Dutzenden Möglichkeiten zu konzentrieren, die mir plötzlich durch den Kopf gingen. Für mich brach eine Welt
zusammen, und mich in der neuen zurechtzufinden, war mir so gut wie unmöglich.
Mariah Parish war tot. Sie war bei der Geburt ihres Kindes gestorben.
Rich Joyce war tot. Man hatte ihn sozusagen zu Tode erschreckt.
Victoria Flores, die von Lizzie Joyce engagiert worden war, um Mariahs Tod zu untersuchen, war ebenfalls tot.
Parker Powers, der in dem Fall ermittelt hatte, war tot.
Mein Stiefvater war in der Arztpraxis gewesen, bei jenem Arzt, der anwesend war, als Mariah Parish starb.
Und was war wenige Monate nach der geheimnisvollen Geburt des geheimnisvollen Kindes vor acht Jahren noch passiert?
Meine Schwester Cameron war verschwunden.
16
Ich ging ins Bad und schloss mich ein. Ich klappte den Toilettendeckel herunter und setzte mich darauf. Ich ließ das Licht
aus. Ich wollte mein Spiegelbild nicht sehen.
Matthew hatte irgendwas mit den Joyces zu tun, auch wenn ich nicht wusste, was. Außerdem war er Camerons Stiefvater. Und wenn
ich mich nicht sehr täuschte, war Cameron, kurz nachdem Maria Parish ihr Kind geboren hatte, verschwunden. Nie wäre ich auf
die Idee gekommen, dass jemand aus unserer Familie etwas mit Camerons Verschwinden zu tun haben könnte. Als die Polizei meine
Mutter, Matthew, Mark, Tolliver und mich befragt hatte, hatte ich getobt, weil sie kostbare Zeit verschwendete, die sie lieber
darauf verwenden sollte, den oder die wahren Mörder zu finden.
Ich hatte ein paar Jungs von unserer Highschool verdächtigt, vor allem Camerons letzten Freund, der nicht gerade galant auf
die Trennung reagiert hatte. Ich hatte Laurels und Matthews Junkiefreunde verdächtigt. Ich hatte Wildfremde verdächtigt, jemanden,
der Cameron allein von der Schule heimgehen sah und beschloss, sie zu berauben/zu vergewaltigen/zu entführen. Ich hatte die
Jungs in Verdacht, die uns manchmal nachgepfiffen hatten, wenn wir gemeinsam ausgegangen waren. Ich hatte mir Hunderte von
Szenarien ausgemalt. Einige davon waren höchst unwahrscheinlich. Aber sie alle gaben mir eine mögliche Antwort auf das furchtbareVerschwinden meiner Schwester. Eine Antwort, die keinen Schmerz über den Verlust einer weiteren Person zur Folge hatte.
Es schien zwar unglaublich, aber ich war fest davon überzeugt, dass zwei
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