Harpyien-Träume
Trent sie. »Du hast keine Seele und daher auch kein Gewissen. Du kannst nicht lieben. Du verstehst das Ganze überhaupt nicht.«
»Aber ich würde es gern verstehen«, erwiderte Metria frustriert.
»Weshalb denn?« erkundigte sich Gloha neugierig.
»In der Region des Wahnsinns war ich Trents Frau«, erklärte die Dämonin. »Da war irgend etwas. Ich fand es interessant. Und ich mag es nicht, wenn mir interessante Dinge entgehen. Ich will wissen, was Liebe ist.«
Griesbogen schüttelte leicht den Kopf; jede größere Gefühlsäußerung hätte das ganze Zelt niedergerissen. »Ich würde auch gern wissen, was Liebe ist. Eine Seele zu besitzen, garantiert einem noch nicht die Liebe.«
»Das stimmt«, pflichtete Gloha ihm bei. »Ich habe auch noch nie die Liebe der Storchenart kennengelernt.«
»Aber du bist schließlich auch das einzige Exemplar deiner Gattung«, wandte Metria ein. »Wenn du erst einmal einen Flügelkoboldmann gefunden hast, wirst du die Storchsprache schon schnell genug erlernen.«
»Aber um auf deine Frage zu antworten«, warf Trent ein. »Für Leute mit einer Seele ist die Heirat ein heiliger Vertrag. Die Vertragspartner willigen ein, nur einander zu lieben und mit niemandem sonst den Storch zu rufen. Es ist zwar durchaus möglich, den Storch auch außerhalb der Ehe zu rufen, aber das wird im allgemeinen mißbilligt. Als Dämonin kannst du natürlich jede beliebige Gestalt annehmen. Du kannst zwar die Bewegungen des Herbeirufens des Storchs vollziehen, indem du einfach nur irgendeinem naiven Mann deine Höschen zeigst und ihn ermunterst, weiterzumachen. Aber das ist weder dasselbe wie die Ehe noch wie die Liebe.«
»Vielleicht sollte ich jemanden heiraten, um etwas über die Liebe zu erfahren«, überlegte sie.
»Das bezweifle ich. Du könntest zwar die Zeremonie vollziehen, sie würde dir aber nichts bedeuten. Die einzige Dämonin, die meines Wissens zur Liebe fähig gewesen ist, war Dara, die vor vielen Jahren den Magier Humfrey heiratete. Aber Dara hatte auch eine Seele. Als sie die verloren hatte, wurde sie wieder wie früher und ließ Humfrey im Stich.«
»Aber sie ist doch wieder zurückgekommen«, widersprach Metria.
»Ja, hundertsechsunddreißig Jahre später«, erinnerte er sie. »Weil sie sich langweilte. Sie tut nur so, als ob. Aber vielleicht könntest du sie ja mal fragen, wie das war, als sie Humfrey tatsächlich geliebt hat.«
»Das habe ich schon. Sie hat gesagt, ich würde es nie verstehen.«
»Siehst du! Vielleicht solltest du es lieber aufgeben, Metria, und uns in Ruhe unserer Wege ziehen lassen, ohne ständig zu kiebitzen.«
»Nein. Ich will nun mal wissen, was Liebe ist! Und dabei kommt ihr diese Sache immer noch am nächsten. Wenn ich euch gründlich genug beobachte, erfahre ich es vielleicht.«
»Bestimmt nicht, indem zu versuchst, verheiratete Skelette zu verführen«, widersprach Trent.
Metria überlegte kurz. Dann begann ihre Kleidung sich aufzulösen.
»Oder verheiratete Magier«, fügte Trent hinzu und schloß die Augen.
»Mist! Wieder daneben«, fluchte die Dämonin und löste sich in Rauch auf.
Auch Gloha schloß die Augen. Sie empfand ein gewisses Mitgefühl für Metria. Deren Verzweiflung war der ihren nicht unähnlich.
Am Morgen setzten sie die Reise fort. Gloha war sich nicht sicher, ob es nur an ihrer Einbildung lag, hatte aber den Eindruck, daß Griesbogen Riese ein wenig geschwächt wirkte. Er brauchte eine ganze Weile, um auf die Beine zu kommen, und schien auch danach noch ziemlich wacklig zu sein. Vielleicht lag es aber auch nur daran, daß ihm morgens immer ein wenig schwindlig war. Also flog sie zu ihm hoch, um sich zu erkundigen.
»Griesbogen, geht es dir gut?« fragte sie, während sie neben seinem Gesicht auf der Schulter landete. »Ich meine, von deiner Krankheit einmal abgesehen?«
»Mach dir meinetwegen keine Sorgen, hübsches Ding«, erwiderte er.
»Jetzt hör auf damit!« sagte sie mit ärgerlicher kleiner Verärgerung. »Du denkst wohl, weil ich so klein bin, muß ich auch kindlich sein! Behandelst du mich deshalb so herablassend? Ich mache mir wirklich Sorgen um dich.«
»O nein, Gloha«, widersprach er. »Ich betrachte dich überhaupt nicht als Kind. Du bist eine wunderschöne Person, körperlich und vom Wesen her. Ich möchte dich nur nicht mit meinen Problemen belasten.«
»Na schön, erzähl mir trotzdem davon«, antwortete sie beschwichtigt.
Er seufzte. »Ich werde von Tag zu Tag schwächer. Ich glaube, ich kann
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