Harpyien-Träume
mal keine Freunde.«
»Vielleicht doch, wenn sie welche wollen«, widersprach Gloha.
»Wer will sich schon mit Dämonen befreunden?« fragte Metria weinerlich.
Gloha erkannte, daß das Problem der Dämonin auch das ihre war. Sie hatte Metria in diese Sache hineingezogen und sich selbst dadurch vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt. Schön, die Dämonin mochte zwar aus rein selbstsüchtigen Gründen gehandelt haben, ohne Wissen um die vollen Konsequenzen ihres Tuns, dennoch war Gloha ihr noch einen Gefallen schuldig.
»Ich könnte vielleicht diese Freundin sein«, sagte sie.
Metria blieb auf dem oberen Treppenabsatz abrupt stehen. »Was sagst du da?« fragte sie vorsichtig.
»Ich würde gern deine Freundin sein.«
Die Dämonin erstarrte. »Ach, so etwas würde ich doch nie verlangen«, sagte sie schließlich. »Ich… oh, danke. Jetzt fühle ich mich schon viel besser!« Sie lächelte zwar, doch aus ihren Augen strömten die Tränen.
»Ich habe auch noch nicht die Liebe erfahren, jedenfalls nicht so richtig«, erwiderte Gloha gerührt. »Aber ich glaube, deine Gefühle sind etwas ganz Normales.«
»Ich hoffe nur, daß sie sich bald entwirren.«
Sie erreichten das oberste Burgzimmer. Dort unterhielten Mark und Griesbogen sich gerade, verstummten aber, als die beiden eintrafen.
Metria setzte sich auf die Kissen. »Ich muß zurück«, sagte sie. »Aber…«
»Komm ruhig vorbei, wann immer du Lust hast«, bot Gloha ihr an.
Die Dämonin nickte und verblaßte.
»Ich werde jetzt auch gehen«, verkündete Mark und ließ seinen Worten Taten folgen.
Gloha richtete die Kissen so aus, daß es für Griesbogen bequem war. Er wirkte nicht nur matt, sondern auch nachdenklich, doch Gloha beschloß, ihn nicht danach zu fragen, worüber er sich mit Mark unterhalten hatte. Im nächsten Augenblick war er schon eingeschlafen – und Gloha im übernächsten.
Irgend etwas war seltsam. Der Boden schien durchzuhängen. Das war natürlich unmöglich, doch Gloha konnte das Gefühl nicht ignorieren. Sie setzte sich auf und schaute sich um.
Draußen herrschte Morgendämmerung. Vor dem vergitterten Fenster verlor eine rosa Wolke gerade ihre Farbe. Das Fenster wirkte etwas schräg. Gloha stand auf, wohl wissend, daß es sich nur um einen Effekt der Magie der Perspektive handelte. Doch sie konnte ihre Neugier nicht zügeln. Sie berührte einen der Gitterstäbe. Er fühlte sich an, als wäre er aus Holz, und nicht mehr aus Metall.
Sie hob den Blick – und bemerkte eine Beule in der Decke. War das nur Einbildung? Gloha spreizte die Flügel und flog hinauf, um die Delle zu betasten. Auch die war ziemlich weich und gab ein Stück nach, als sie mit dem Finger hineinstach. Die Decke sackte tatsächlich ein!
Kein Zweifel – hier war irgend etwas faul. Gloha ließ sich zu Boden sinken.
»Griesbogen – ich glaube, wir sollten lieber von hier verschwinden.«
Er erwachte. »Ich glaube nicht.«
»Nicht?«
»Ich glaube nicht, daß ich aufstehen kann. Ich fürchte, meine Zeit ist gekommen.«
Irgend etwas in Glohas Innerem schien zu zerreißen. »Nein, Griesbogen!« rief sie. »Noch nicht. Du hast doch noch nicht deine… deine Antwort gefunden.«
»Ich habe genug gefunden. Du mußt die Gitterstäbe aufreißen und hinausfliegen.«
»Aufreißen? Die Gitterstäbe? Das kann ich nicht!«
»Die Burg löst sich auf. Das bedeutet, daß Veleno jemanden gefunden hat, eine Ehefrau, die sich am nächsten Morgen noch an ihre Heirat erinnern kann. Der Bann verliert an Kraft. Du mußt fliehen, bevor hier alles einstürzt.«
Gloha sah ein, daß er die Lage richtig erfaßt hatte. Das erklärte also das Absacken der Burg. Die Gitterstäbe würden nicht mehr kräftig genug sein, um ihr zu widerstehen, und tatsächlich wäre das Fenster der schnellste Ausgang für sie. Sie trat hinüber und riß die Stäbe auseinander, als wären sie aus Gummi. Dann schaute sie aus dem Fenster und stellte mit einem Blick in die Tiefe fest, daß die ganze Burg bereits schräg stand. Offensichtlich hatte das Fundament seine Festigkeit eingebüßt.
Gloha eilte zu Griesbogen zurück. »Ich nehme dich mit«, sagte sie.
»Gloha, das ist die Anstrengung nicht wert. Ich werde sowieso dahin sein, noch bevor der Morgen zu Ende ist. So ist es auch nicht schlechter als anders. Aber wenn du vielleicht…« Er hielt inne; es erinnerte ein wenig an Metrias Stocken.
»Was?« fragte sie, und das Herz tat ihr dabei furchtbar weh.
»Wenn du mir vielleicht einen Kuß geben
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