Harpyien-Träume
diese Pflanze denn überhaupt aus?« wollte Gloha wissen.
»Sie ist ziemlich klein, mit schlingpflanzenähnlichen Ästen«, erklärte Cheiron. »Das Blattwerk ist grün, und sie besitzt gedrehte Auswüchse, die in Dornen enden.« Mit einem Stock machte er eine Skizze ins Erdreich. »Das sieht ungefähr so aus.« Dann zeichnete er noch eine vergrößerte Blüte dazu. »Am einfachsten läßt sie sich anhand ihrer unverwechselbaren Blüten erkennen.«
»Mal sehen, welches der Kontingente als erstes eine solche Blume aufstöbert«, sagte Trent.
Den vier Gruppen wurde entsprechende Nachricht übersandt. Sofort stoben sie auseinander und machten sich auf die Suche nach der Verpflanzungspflanze. Die drohende Auseinandersetzung war abgewehrt.
Cynthia blickte nachdenklich drein. »Ich erinnere mich entfernt an irgend etwas, das mit einer solchen Pflanze zu tun hatte«, sagte sie. »Das war vor siebzig Jahren, als ich noch ein Kind war…« Sie hielt inne. »Vor sieben Jahren. Vielleicht ist sie aber auch gar nicht mehr da.«
»Wo soll sie denn gewesen sein?« erkundigte sich Che.
Cynthia bedachte ihn mit einem erstaunlich sachkundigen Kleinemädchenlächeln. Che wußte natürlich um ihren Ursprung und ihr tatsächliches Alter, schien sie aber trotzdem sehr zu mögen. Das war vielleicht gar nicht einmal überraschend, denn zum einen war Cynthia das einzige weitere Flügelzentaurenkind in Xanth – noch dazu eins, das sehr darum bemüht war, gut mit Che auszukommen –, zum anderen wies sie mehr als nur eine Andeutung ihrer früheren und späteren Schönheit auf. »Das weiß ich nicht mehr. Ich glaube, ich werde einfach nach der Pflanze suchen.«
»Aber nicht allein«, widersprach Chex streng. »Nicht in deinem Alter, und schon gar nicht in dieser Gegend.«
»Och«, machte Cynthia ein wenig betroffen. »Na ja, wahrscheinlich ist sie sowieso nicht mehr da.«
»Wir werden suchen«, entschied Chex. »Aber ich komme mit.«
Sofort machten die beiden sich auf den Weg.
Gloha begriff, daß Che nicht mitkommen konnte, weil er als Begleiter bei Gwenny bleiben mußte. Die beiden waren unzertrennlich. Es war klar, daß sie sich sehr nahestanden, doch es handelte sich um eine reine Freundschaft und keine Liebelei. Auch Cheiron blieb, um Gwenny als Reittier zu dienen, weil sie nicht fliegen konnte. So befehligte Gwenny die Kobolde vom Rücken eines Flügelzentauren aus, was aber niemand besonders bemerkenswert zu finden schien.
Schon bald waren am Teich nur noch Gloha, Griesbogen, Mark, Trent, Metria und Veleno übrig. Die beiden letztgenannten verschwanden kurz darauf im Wald, vorgeblich, um sich auf die Suche zu machen, in Wirklichkeit aber wohl, um sich eine weitere Stunde delirierenden Glücks zu gönnen. Gloha staunte immer noch, wie gut das zu funktionieren schien. Zugleich war sie ein kleines bißchen eifersüchtig. Die Dämonin und der Nymphomane schienen offensichtlich wie füreinander geschaffen, während Gloha bisher noch niemanden gefunden hatte, der zu ihr paßte. Wenn sie doch nur von einem Mann wie Trent in der Burg gefangengenommen worden wäre…
»Vielleicht sollten wir jetzt erst einmal etwas essen und uns ausruhen«, schlug Trent vor. »Denn wenn diese Pflanze erst einmal gefunden wurde, steht uns vermutlich noch eine lange Reise bevor.«
»Könnte man sie nicht hierher bringen?« fragte Gloha. »Es wäre doch viel besser, wenn Griesbogen nicht auch noch reisen müßte.«
»Den Blutwurz schon. Davon brauchen wir nur einen Zweig. Aber ich glaube zu wissen, daß die Verpflanzungspflanze sich selbst nicht verpflanzen läßt«, erklärte Trent. »So, wie ich mich selbst auch nicht verwandeln kann. Also werden wir eine Möglichkeit finden müssen, Griesbogen bequem zu transportieren. Vielleicht kann ich ja einen Freiwilligen in eine geeignete Gestalt verwandeln.«
»Dann verwandle mich!« erbot Gloha sich sofort.
»Bitte, nein«, widersprach Griesbogen. »Ich möchte nicht, daß du dir meinetwegen noch mehr Umstände machst.«
»Aber ich will dir doch helfen! Ich ertrage den Gedanken nicht, daß du…« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.
»Ich bin dir schon viel zu sehr zur Last gefallen«, versetzte er. »Und du warst schon mehr als gut genug zu mir.«
»Vielleicht sollten wir erst einmal den Austausch vornehmen«, meinte Mark. »Dann brauchen wir uns wegen zusätzlicher Belastungen keine Sorgen mehr zu machen, weil Griesbogen dann wieder gesund ist und sich in jede beliebige Gestalt verwandeln lassen
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