Harpyien-Träume
Ablenkung ausreicht.«
Diese Logik konnte Gloha nachvollziehen. Der böse Berg würde nicht dazu in der Lage sein, über jeden einzelnen Kobold, über jede Harpyie zu wachen. Wenn sie vorsichtig waren und lange genug unbemerkt blieben, konnte ihr Plan vielleicht klappen.
Nun wurde zum Rückzug geblasen, und die verschiedenen Suchtrupps machten sich daran, an ihren gemeinsamen Treffpunkt zurückzukehren. Nachdem sie sich dort versammelt hatten, erhielten sie neue Anweisungen. Zuerst reagierten die Harpyien und Kobolde zwar noch mit freudigem Johlen und Kreischen, als ihnen mitgeteilt wurde, daß es nun doch noch ein Gemetzel geben würde, doch sie verstummten sehr schnell, als sie erfuhren, mit welchem Gegner sie es zu tun bekamen. Diese Herausforderung war doch um einiges größer, als ihnen lieb war. Doch in Gegenwart der anderen Gruppen konnte es keine der Streitkräfte auf sich sitzen lassen, kneifen zu wollen. Die Skelette machten sich am wenigsten Sorgen, da glühendes Gestein ihnen kaum etwas anhaben konnte. Die Riesen verhielten sich gleichgültig; normalerweise hätten sie sich mit zwei, drei Riesenschritten von einer solchen Gefahr entfernen können. Andererseits wußten sie, daß die herumsausenden Gesteinstrümmer durchaus gefährlich werden konnten, was um so schlimmer werden würde, je mehr sie sich dem Berg näherten.
»So, nun müssen wir los«, entschied Trent.
»Aber die Belagerung hat doch noch gar nicht begonnen«, wandte Gloha ein.
»Stimmt genau. Wir müssen einen Umweg suchen, für den wir etwas länger brauchen, damit der Berg nicht ahnt, was wir im Schild führen. Der Belagerungsring sollte geschlossen sein, bevor Pin-A-Tuba mitbekommt, daß sich ihm außerdem noch ein viel unbedeutenderer Trupp nähert. Dann geht er vielleicht davon aus, daß es sich dabei nur um eine Ablenkung handelt. Ich gebe zu, die Sache ist ziemlich riskant, aber es scheint mir das klügste Vorgehen zu sein.«
»Was ist denn unser eigentliches Ziel?« wollte Gloha wissen. »Ich meine, welches Ziel soll der Berg bei unserem Vorgehen vermuten?«
»Die Harpyien haben hinter dem Berg – dort, wo die Verpflanzungspflanze wächst – einen wunderschönen See entdeckt. Sie nennen ihn den Wundersee. Das vorgebliche Ziel wird darin bestehen, diesen See zu erobern und auszubeuten.«
»Weshalb sollte irgend jemand einen See neben einem bösartigen Vulkan erobern wollen?«
»Auf diesem See ankern Boote, und am Kiel dieser Boote wachsen Muscheln. Die Oberfläche der Muscheln glänzt so stark, daß sie spiegelt. Man kann sie sammeln und große Spiegel daraus bauen. Deshalb bezeichnet man sie als Wundermuscheln.«
»Aber Spiegel lassen sich doch ebenso aus Glas oder poliertem Stein herstellen«, warf Gloha ein. »Weshalb sollte man sich da die Mühe machen, sie aus glänzenden Muscheln zu bauen?«
»Es sind magische Muscheln, also kann man magische Spiegel daraus machen.«
»Ach so!« Gloha begriff plötzlich. »Stimmt. Ich habe mich noch nie gefragt, woher die magischen Spiegel eigentlich kommen.«
»Möglicherweise gibt es auch noch andere Quellen dafür«, erwiderte Trent. »Aber ich vermute mal, daß wir hier über eine geheime Quelle des Magiers Humfrey gestolpert sind. Sicher ist jedenfalls eins – der Berg wird seinen Schatz eifersüchtig hüten. Deshalb glaube ich, daß diese Ablenkung mehr als ausreichen dürfte.«
»Das halte ich auch für möglich«, stimmte Gloha beeindruckt zu. »Ich hätte nichts dagegen, einen dieser Spiegel zu besitzen.«
Trent lächelte. »Ich dachte, du hast etwas Besseres vor.«
»Ja, natürlich«, murmelte Gloha kleinlaut.
Trent wandte sich anderen Angelegenheiten zu. »Metria und Veleno kundschaften gerade einen möglichen Weg zu der Verpflanzungspflanze aus. Sie scheinen ganz gut miteinander auszukommen.«
»Aber Veleno kann sich dem Berg doch gar nicht nähern!«
»In seiner jetzigen Gestalt schon.«
»In seiner…?«
»Ich habe ihn verwandelt. Er ist jetzt ein Paragraphenpapagei. Das ist eines der wenigen Wesen, die der Vulkan in der Nähe seiner Spitze duldet. Vielleicht liegt es daran, daß sie so gute Plädoyers formulieren können.«
»Plädoyers?« fragte Gloha verständnislos.
»Papageien sind sehr geschwätzige Vögel, und diese Sorte liebt es, sich mit rechtlichen Dingen zu befassen, obwohl es weder Sekretärs- noch Advokatenvögel sind. Sie plädieren für Pin-A-Tubas Sache, daß er nämlich das Recht habe, sich so großspurig zu geben, wie er es tut, obwohl er
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