Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
sehen. Jedenfalls nicht gleich am Anfang.“
„Aber es wird doch wohl ein Mann gewesen sein“, wandte Martin ein. „Oder siehst du das anders?“
„Noch wissen wir nicht, ob sie vor ihrem Tod wirklich mit jemandem Sex hatte“, sagte ich. „Ihre Leiche wurde so auf dem Bett drapiert, dass es aussah, als ob, aber der Bericht der Gerichtsmedizin liegt noch nicht vor. Sie könnte natürlich auch mit jemandem geschlafen haben, und dann hat sie jemand anders umgebracht.“ Martin schien unsere Unterhaltung ganz normal zu finden.
„Das würde bedeuten, dass es beim Andertonhaus an jenem Abend ziemlich lebhaft zuging. Ein ständiges Raus und Rein“, gab er zu bedenken.
„Klingt nicht plausibel, da gebe ich dir recht. Könnte aber dennoch so gewesen sein. Vor einer Frau hätte sich Tonia Lee doch auf keinen Fall gefürchtet, und Donnie Greenhouse sagte gestern Abend ein paar seltsame Sachen.“ Ich referierte Donnies Spruch, demzufolge nicht nur Männer seine Frau begehrt hatten, und klärte Martin darüber auf, dass Donnie Idellas Wagen gesehen haben wollte. Eileen und Terry erwähnte ich nicht. Nur weil ich außer ihnen in Lawrenceton keine weiteren Lesben kannte, hieß dies noch lange nicht, dass es keine gab.
So weit wäre ich mit Aubrey bei einem solchen Thema nie gekommen, dem wäre längst schlecht geworden.
„Hast du schon eine Theorie?“, fragte Martin.
„Ich glaube … ich glaube, Tonia Lee hatte herausgefunden, wer für die Diebstähle aus den zum Verkauf stehenden Häusern verantwortlich ist. Ich glaube, sie hatte eine Affäre mit dem oder der Betreffenden. Oder sie hat diesen Menschen zu einem Treffen ins Andertonhaus geladen und wurde dort von ihm verführt. Vielleicht bat auch der Killer um das Treffen, unter dem Vorwand, das schicke Haus eigne sich hervorragend für ein Schäferstündchen. Wobei er von Anfang an vorhatte, Tonia Lee auszuschalten. Also schlafen die beiden miteinander, oder auch nicht, aber jedenfalls richtet der Täter es so ein, dass es aussah, als hätten sie miteinander geschlafen. Ich bin sicher, der Mord war geplant! Der Täter trifft ein, zu Fuß oder mit dem Rad, bringt Tonia Lee um, legt sie so hin, dass wir alle denken müssen, einer ihrer Liebhaber habe sie im Liebesrausch oder aus Verzweiflung erwürgt, fährt ihr Auto weg, geht wieder nach Hause und schafft es irgendwie, den Schlüssel zurück ans Schlüsselbrett von Select Realty zu hängen. Danach wiegt er sich in dem Glauben, es würde tagelang niemand nach Tonia Lee suchen. Nach ein paar Tagen wären sämtliche Alibis unklar oder vergessen oder ließen sich schlichtweg kaum noch nachprüfen. Vielleicht hängte er den Schlüssel wirklich in den wenigen Minuten zurück, in denen Patty und Debbie nicht vorn am Empfang saßen.“
Martin war meinem Gedankengang aufmerksam gefolgt, ohne etwas zu sagen. Jetzt hob er die Hand.
„Nein“, sagte er. „Ich glaube, Idella hat den Schlüssel zurückgehängt.“
„Oh mein Gott, ja. Idella“, sagte ich langsam. „Deswegen hat er sie getötet. Sie wusste, wer den Schlüssel gehabt hatte. Sie muss ihn sich von der Person geholt haben, die bei Greenhouse Realty war. Wer immer das gewesen sein mag.“
Genau so musste es gewesen sein, es klang so einleuchtend. Idella, die auf der Mitarbeiterbesprechung geweint hatte, nachdem Tonia Lees Leiche aufgetaucht war, Idella, die an den Tagen nach Tonia Lees Tod nervös und mit rotgeränderten Augen herumgelaufen war.
„Sie muss demjenigen gegenüber außerordentlich loyal gewesen sein“, murmelte ich. „Warum hat sie es niemandem erzählt? Das hätte ihr das Leben gerettet.“
„Sie konnte der Wahrheit nicht ins Auge schauen, sie wollte nicht glauben, dass diese Person es getan hat“, sagte Martin. „Sie war verliebt.“
Wir starrten einander eine Minute lang schweigend an.
„Ja“, flüsterte ich. „So muss es gewesen sein. Sie war verliebt.“
Nachdem Martin in dieser Nacht eingeschlafen war, dachte ich an Idella. Wie grausam man sie getäuscht hatte, auf die grausamste nur denkbare Art. Umgebracht von jemandem, den sie liebte, dem sie nichts Böses zutraute, ganz gleich, wie überwältigend die Beweise gegen ihn sein mochten. Irgendwie, dachte ich schon halb im Schlaf, gab es Ähnlichkeiten zwischen Idella und mir … sie war eine Weile allein gewesen, hatte allein klarkommen müssen. Vielleicht kam man so dazu, jemandem allzu leicht zu vertrauen, sich abhängig zu machen. Idella hatte dafür einen hohen
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