Harrison, Kim - Hollows 7 - Blutkind
er den Magen erreichte.
»Ivy wird mir alle Finger brechen, wenn ich dich auf den Boden fallen lasse«, grummelte er und nahm die Tasse zurück, als ich sie ihm entgegenstreckte. »Sei einfach in den nächsten zwanzig Minuten brav und bring mich nicht in Schwierigkeiten, okay?«
Ich versuchte zu lächeln, aber innerlich zitterte ich. Erschöpfung breitete sich in mir aus, und Erinnerungen an meine vielen Jahre in Krankenhäusern stiegen auf. »Ich weiß nicht mal, was passiert ist«, beschwerte ich mich. »Ich meine, ich erinnere mich daran, dass ich umgekippt bin, aber danach? Nullinger.«
Marshal setzte sich auf die Bettkante, als könnte ich versuchen, wieder aufzustehen. »Kein Zweifel. Eine Banshee, Ra-240
chel? Was hast du dir gedacht? Du hast Glück, dass du noch lebst.«
Ich hob meine rechte Schulter und ließ sie wieder fallen.
Wer sonst hatte die Chance gehabt, sie zu fangen? Wahrscheinlich hatte Edden mich im Krankenhaus angemeldet. Deswegen lag ich auf der Menschenstation. Im Bett liegen konnte ich auch zu Hause, und da kostete es viel weniger Geld. David würde sauer sein, wenn meine Versicherung teurer würde.
Ich seufzte. »Jau. Eine Banshee. Und ihr Kind. Und ihr ge-meingefährlicher Ehemann. Und das auch noch im Einkaufszentrum.«
Er lächelte, fast stolz. »Als du diesen Reporter zur Seite gestoßen hast, kam es im Fernsehen.«
Ich starrte ihn an und verzog das Gesicht. »Sie haben es auf Band?«
Er lehnte sich vor, schob mir eine Strähne hinter das Ohr und brachte mich damit zum Schaudern, weil ich an die Gescheh-nisse auf Kistens Boot denken musste. »Du hast ihn richtig auf den Hintern gesetzt«, sagte er, ohne etwas zu merken. »Es war gut, dich so in Aktion zu sehen. Wieder.«
Sein Lächeln verblasste, und mir ging auf, dass es das zweite Mal gewesen war, dass er mich in den Nachrichten gesehen hatte. Das erste Mal hatte ich Handschellen getragen. »Ähm, danke, dass du mich besuchst«, sagte ich, weil ich eine steigende Spannung im Raum fühlte, als hätte er unsere vereinbar-ten Grenzen überschritten.
Sein Lächeln war verschwunden, und er lehnte sich zurück.
Er schaute überallhin außer zu mir. »Den Pudding schon probiert?«
»Nein, aber ich bezweifle, dass er besser geworden ist, seit ich das letzte Mal hier war.«
Er lachte leise. Ich versuchte, mich zu entscheiden, ob ich bereit war, den Katheter selbst zu entfernen. Das eine Mal, wo ich es getan hatte, hatte ich mir mehr wehgetan, als möglich 241
sein sollte. Ich wollte hier nicht bleiben, und wenn meine Le-benszeichen stabil waren, dann würden sie mich wegen reiner Erschöpfung auch nicht hierbehalten.
In die unangenehme Stille zwischen Marshal und mir drang das Geräusch von Jenks’ Flügeln. Wir wechselten ein wissendes Lächeln. Jenks war wie ein kleines Kind, man konnte ihn immer hören, bevor man ihn sah. Seine Stimme war hoch, als er mit jemandem redete, dessen Antworten nur ein gedämpftes Murmeln waren, und sie bewegten sich langsam. Vielleicht Ivy?
Mein Puls beschleunigte sich, und Marshal stand auf, als die dicke, große Tür sich öffnete. Er wirkte nervös, und ich musste mich nicht fragen, warum. Ivy mochte ihn nicht, und sie machte sich auch keine Mühe, das zu verbergen.
»Hey!«, schrie Jenks laut und flog dreimal um den Raum.
»Schau, wen ich gefunden habe!«
Ich lächelte. Nicht nur war es Ivy, sondern Glenn war auch noch dabei. Er bewegte sich langsam und wurde von Ivy ge-stützt. Mit der anderen Hand hielt er sich an seinem Infusionsständer fest. Der schwarze Mann sah furchtbar aus, und das kam nicht nur vom Krankenhauskittel. Trotzdem grinsten wir uns an, als er vom Boden aufschaute, sichtbar glücklich, dass er laufen konnte, wenn auch nur mühsam. Sein Gesicht war an manchen Stellen scheußlich verfärbt, und die Hand, mit der er sich an Ivys Arm festhielt, war geschwollen und dick verbunden. »Hi, Rachel«, hauchte er, dann konzentrierte er sich wieder auf den Boden und schlurfte vorwärts.
Marshal nickte Ivy zur Begrüßung zu, schob unauffällig die Tomate hinter die Blumen, bevor Glenn sie sehen konnte, und ging dann zu der Couch, die unter dem Fenster stand, damit der angeschlagene FIB-Agent den Stuhl neben dem Bett nehmen konnte. Seltsamerweise wirkte Ivy, als wüsste sie, was sie tat, als sie ihn vorsichtig in den Stuhl setzte und sicherstellte, dass der Schlauch seiner Infusion sich nicht verhedderte. Sie wusste 242
sogar, dass sie seinen Kittel zuhalten musste, während
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