Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
surrealen Touch. Wie eine Hure mit zuviel Schminke, dachte er – falls es so etwas gab.
Aber es war nicht diese Szenerie, die Bosch deprimierte. Es war Cal Moore. Bosch hatte seit fast einer Woche damit gerechnet, seit dem Moment, als er h ö rte, da ß Moore nicht zum Appell erschienen war. Die Frage, die sich die meisten Detectives des Bezirks Hollywood stellten, war nicht, ob Moore tot war, sondern wie lange es dauern w ü rde, bis seine Leiche auftauchen w ü rde.
Moore war ein Sergeant gewesen, der die Einheit leitete, die im Bezirk den Stra ß enhandel mit Drogen bek ä mpfte. Es war Nachtarbeit, und seine Einheit arbeitete nur auf dem Boulevard. Unter den Kollegen war allgemein bekannt, da ß sich Moore von seiner Frau getrennt und Ersatz im Whiskey gefunden hatte. Bosch hatte das bei seiner einzigen Begegnung mit dem Drogen-Cop pers ö nlich mitbekommen. Er hatte auch gesp ü rt, da ß es au ß er Eheproblemen und fr ü hem Ausgebranntsein eventuell noch etwas anderes gab. Moore hatte vage vom Dezernat f ü r interne Ermittlungen und einer Personaluntersuchung gesprochen.
Alles zusammen ergab einen kr ä ftigen Schub Weihnachtsdepression. Sobald Bosch h ö rte, da ß man nach Cal Moore suchte, wu ß te er Bescheid. Der Mann war tot.
Und so wu ß te es jeder bei der Polizei, allerdings sprach es niemand aus. Nicht einmal die Journalisten. Zuerst versuchte man, in aller Stille vorzugehen. Diskrete Fragen um den Los Feliz Boulevard herum, in dessen N ä he sich Moores Apartment befand. Ein paar Hubschrauberfl ü ge ü ber die nahen H ü gel des Griffith Park. Aber dann bekam ein Fernsehreporter einen Tip, und alle anderen Stationen und Zeitungen erschienen zum Tanz. Die Medien berichteten pflichtschuldig ü ber die Fortschritte bei der Suche nach dem verschwundenen Polizisten, Moores Foto wurde ans Brett im Pressezimmer des Parker Centers gepinnt, und die Polizeileitung wandte sich mit den ü blichen Bitten um Mithilfe an die Ö ffentlichkeit. Es war ein dramatisches Schauspiel, oder zumindest gutes Fernsehmaterial: Sucheins ä tze auf dem Pferder ü cken sowie aus der Luft; und nat ü rlich der Police Chief, wie er das Foto eines ernstblickenden und gutaussehenden Sergeants s ü dl ä ndischen Typs hochhielt. Niemand sprach jedoch aus, da ß man nach einem Toten suchte.
Bosch stoppte den Wagen vor der Ampel an Vine und sah einem Mann mit Reklametafeln vor dem Bauch und auf dem R ü cken nach, der die Stra ß e ü berquerte. Sein Schritt war eilig und ruckartig, und seine Knie stie ß en die Tafel vorne st ä ndig in die Luft. Bosch sah, da ß ein Satellitenfoto vom Mars auf die Tafel geklebt war. Ein gro ß er Teil war mit einem Kreis markiert. In gro ß en Buchstaben stand darunter BEREUT! DAS ANTLITZ DES HERRN WACHT Ü BER UNS! Bosch hatte das gleiche Foto auf der Titelseite einer Boulevardzeitung gesehen, beim Schlangestehen vor der Kasse in einem Lucky-Supermarkt. Aber die Boulevardzeitung hatte behauptet, da ß es das Gesicht von Elvis sei.
Die Ampel wechselte, und er fuhr weiter Richtung Western. Er dachte an Moore. Abgesehen von dem Abend, an dem er mit ihm zusammen in einer Jazzbar in der N ä he des Boulevards trinken war, hatte er nicht viel Kontakt mit Moore gehabt. Als Bosch ein Jahr vorher von RM zum Bezirk Hollywood versetzt worden war, war er mit z ö gerndem H ä ndesch ü tteln und vereinzeltem Nett-dich-kennenzulernen begr üß t worden. Im allgemeinen hatten die Leute Distanz gewahrt. Es war verst ä ndlich; man hatte ihn aus RM nach einer Untersuchung des Dezernats f ü r interne Ermittlungen gefeuert. Es st ö rte Bosch nicht. Moore war einer von denen, die sich keinen abbrachen, wenn sie ihm auf dem Flur oder bei Besprechungen begegneten. Nicken war vollauf genug. Es war auch verst ä ndlich; der Tisch f ü r Mordsachen, an dem Bosch arbeitete, stand im Erdgescho ß b ü ro, w ä hrend Moores Einheit, die Hollywood-BANG (Boulevard Anti-Narcotics Group), sich in der ersten Etage des Reviers befand. Immerhin kam es zu einem Treffen. Bosch wollte Hintergrundinformation f ü r einen Fall, an dem er arbeitete. F ü r Moore dagegen war es eine Gelegenheit gewesen, viel Bier und Whiskey in sich hineinzusch ü tten.
BANG-Team, das war die typische clevere, PR-wirksame Bezeichnung, wie sie die Polizei von Los Angeles liebte. In Wirklichkeit handelte es sich allerdings nur um f ü nf Cops, die von einem umgebauten Lagerraum aus operierten, auf dem Hollywood Boulevard umherstreiften und jeden
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