Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
ermittelt. Allerdings h ä tte ich sowieso nichts herausbekommen. Du hast die Akte gesehen. Kein Ausweis, keine Zeugen, kein nichts. Der Typ war schon sechs Stunden tot, als er dort abgeladen wurde.«
» Was ist Weihnachten passiert? Weshalb hast du dir in die Hose gemacht? «
Porter schnaubte sich die Nase in einen Strau ß Papierhandt ü cher. Tr ä nen stiegen ihm wieder in die Augen.
» Ja, sie ist gebrochen. Es kommt keine Luft durch. Ich mu ß ins Krankenhaus, sie richten lassen. Also … nichts passierte Weihnachten. Das war’s ja. Moore war seit einer Woche vermi ß t, und ich wurde ziemlich nerv ö s. Er kam Weihnachten nicht, niemand kam. Als ich dann vom Lucky-Supermarkt nach Hause kam, sagte meine Nachbarin vom Wohnwagen nebenan, wie leid ihr es tue wegen des toten Cops, den sie gefunden haben. Ich habe mich bedankt und dann drinnen das Radio angestellt. Als ich geh ö rt habe, da ß es Moore ist, bin ich in Panik geraten, Harry.«
Porter weichte einige Papiert ü cher ein und begann damit sein blutbeflecktes Hemd abzureiben. Er machte einen erb ä rmlichen Eindruck. Sein Schulterhalfter war leer, und Bosch fiel ein, da ß seine Waffe noch auf der Theke lag. Aber er wollte deswegen nicht zur ü ckgehen, solange Porter redete.
» Mann, ich wu ß te, da ß Moore nicht Selbstmord begangen hatte. Ganz egal, was die im Parker Center erz ä hlen. Ich wei ß , da ß er sich nicht umgebracht hat. Er war in irgendwas verstrickt. Und ich habe die Hose gestrichen voll. Also habe ich die Gewerkschaft angerufen und mir einen Anwalt genommen. Ich putz’ die Platte, Harry. Ich bring’ mich wieder auf Vordermann und geh’ nach Vegas. Vielleicht arbeite ich als Sicherheitskraft f ü r ein Casino. Millie ist dort mit meinem Jungen, und ich m ö chte in der N ä he sein.«
Wunderbar, dachte Bosch, und dich immer nach hinten umschauen. » Du blutest wieder. Wasch dir das Gesicht. Ich hol’ Kaffee und bring dich dann hier raus.«
Bosch ging zur T ü r, aber Porter stoppte ihn.
» Harry, wirst du mir aus dieser Situation raushelfen? « Bosch betrachtete eine Weile sein ramponiertes Gesicht, bevor er einwilligte: » Ja … ich werde tun, was ich kann.«
Er ging zur ü ck zur Bar und winkte den Barkeeper heran, der am anderen Ende eine Zigarette rauchte und es nicht eilig hatte. Er war etwa f ü nfzig, seine Unterarme waren bedeckt von verblichenen T ä towierungen, die wie Venen aussahen. Bosch legte einen Zehndollarschein auf die Bar.
» Zwei Kaffee zum Mitnehmen. Schwarz. Einer mit viel Zucker.«
» Wird auch Zeit, da ß ihr verschwindet.« Der Barkeeper deutete auf den Geldschein. » Ich werde die Servietten berechnen. Die liegen nicht da f ü r Bullen, die Leute zusammenschlagen. Das stimmt dann so. La ß den Schein da liegen.«
Der Kaffee, den er in zwei Styroporbecher go ß , sah aus, als st ü nde er seit Weihnachten auf der W ä rmeplatte. Bosch ging zu Porters Stuhl, holte die Smith-Achtunddrei ß ig sowie die dreiundzwanzig Dollar und begab sich wieder zur ü ck zu seinem Zehndollarschein auf der Bar. Dann steckte er sich eine Zigarette an.
Der Barkeeper bemerkte nicht, da ß Bosch, ohne sich zu beschweren, zuschaute, wie er ekelhaft viel Zucker in beide Becher sch ü ttete. Nachdem er sie mit Plastikdeckeln verschlossen hatte, brachte er sie und deutete – mit einem L ä cheln, das jede Frau auf der Stelle frigide gemacht h ä tte – auf einen: » Das ist der ohne – he, was soll der Schei ß ? «
Der Zehner, den Bosch auf die Theke gelegt hatte, hatte sich in einen Eindollarschein verwandelt. Bosch blies ihm Rauch ins Gesicht und nahm die Kaffeebecher.
» Das ist f ü r den Kaffee. Die Servietten kannst du dir in den Arsch schieben.«
» Verpi ß dich hier blo ß«, zischte der Barkeeper und ging wieder zum anderen Ende der Bar, wo einige G ä ste ihre Gl ä ser ungeduldig hochhielten. Sie brauchten neues Eis, um ihren Treibstoff zu k ü hlen.
Mit seinem Fu ß stie ß Bosch die Toilettent ü r auf; Porter war nicht zu sehen. Er ö ffnete die T ü r der einzigen Kabine, Porter war jedoch auch dort nicht. Bosch eilte hin ü ber zum Frauenklo. Keine Spur von Porter. Auf dem Flur ging er um eine weitere Ecke und entdeckte eine T ü r, an der » Ausgang « stand. Auf dem Boden waren Blutspritzer zu sehen. Er fragte sich, ob er Porter durch Anrufe bei Krankenh ä usern aufsp ü ren k ö nnte, und fluchte, da ß er mit dem Barkeeper so viel Zeit verplempert hatte. Mit der H ü fte dr ü ckte er
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