Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
allein zu erwischen, um mit ihr sprechen zu können, ihr vielleicht von Lockridge zu erzählen. Aber Twilley und Friedman kamen direkt hinter ihr nach draußen und stiegen mit ihr in dasselbe Auto. Ein FBI-Auto.
McCaleb beobachtete, wie sie in Richtung Downtown losfuhren. Dann stieg er aus dem Cherokee und kehrte in das Restaurant zurück. Er war halb verhungert. Da kein Tisch frei war, bestellte er sich was zum Mitnehmen. Er würde im Cherokee essen.
Die alte Frau, die seine Bestellung aufnahm, blickte mit traurigen braunen Augen zu ihm auf. Sie sagte, diese Woche sei viel los gewesen und Lechon Asada sei gerade ausgegangen.
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Z ur Überraschung von Zuschauern, Geschworenen und wahrscheinlich den meisten Medienvertretern erklärte John Reason, er werde Bosch erst ins Kreuzverhör nehmen, wenn die Verteidigung ihre Argumente präsentieren würde. Die Ankläger hatten jedoch damit gerechnet. Wenn die Strategie der Verteidigung darin bestand, den Unglücksboten zu erschießen, dann war dieser Unglücksbote Bosch. Und der günstigste Moment, ihn abzuschießen, war, wenn die Verteidigung den Sachverhalt aus ihrer Sicht darlegte. Auf diese Weise konnte Fowkkes’ Angriff auf Bosch Teil eines sorgfältig inszenierten Angriffs auf die ganze Beweisführung gegen David Storey sein.
Nach der Mittagspause, in der Bosch und die Ankläger von den Journalisten pausenlos mit Fragen zu Boschs Zeugenaussage bestürmt worden waren, machte die Anklagevertretung, getragen von dem bei der Vormittagssitzung gewonnenen Schwung, zügig weiter. Kretzler und Langwiser wechselten sich in der Befragung einer Reihe von Zeugen ab, die alle nur kurz im Zeugenstand blieben.
Die erste von ihnen war Claudia Corazon, die Leiterin des gerichtsmedizinischen Instituts. Auf Kretzlers Fragen hin sagte sie über ihre bei der Obduktion gewonnenen Erkenntnisse aus und gab als Zeitpunkt von Jody Krementz’ Tod Freitag, den 13. Oktober, von Mitternacht bis 2 Uhr früh an. Des weiteren bestätigte sie, dass bei Frauen Todesfälle infolge autoerotischer Asphyxie äußerst selten waren.
Auch hier behielt sich Fowkkes das Recht, die Zeugin zu befragen, für die Phase des Prozesses vor, in der die Verteidigung den Fall aus ihrer Sicht darlegen würde. Corazon wurde schon nach weniger als einer halben Stunde aus dem Zeugenstand entlassen.
Nachdem Boschs Zeugenaussage abgeschlossen war, bestand für ihn keine Notwendigkeit mehr, ständig im Gerichtssaal anwesend zu sein. Deshalb begleitete er Corazon zu ihrem Auto, als Langwiser den nächsten Zeugen aufrief – einen Laboranten, der bestätigen sollte, dass die an der Leiche des Opfers gefundenen Haarproben von Storey stammten. Vor vielen Jahren hatten Bosch und Corazon in einem Verhältnis zueinander gestanden, das man heute als lockere Liebesbeziehung bezeichnen würde. Wenn dabei vielleicht auch keine Liebe im Spiel gewesen sein mochte, hatte das Ganze für Bosch gewiss nichts Lockeres gehabt. In seinen Augen waren sie einfach zwei Menschen gewesen, die jeden Tag mit dem Tod konfrontiert waren und ihn mit dem lebensbejahenden Akt an sich auf Distanz zu halten versuchten.
Nachdem sie zur Leiterin des gerichtsmedizinischen Instituts ernannt worden war, hatte Corazon diese Beziehung abgebrochen. Von diesem Zeitpunkt an war ihr Verhältnis rein dienstlicher Natur gewesen, und da Corazon aufgrund ihrer neuen Stellung nur noch sehr begrenzt in den Autopsieräumen zu tun hatte, hatte Bosch sie nicht mehr oft gesehen. Nicht so im Fall Jody Krementz. Corazon hatte instinktiv gespürt, dass dieser Fall starkes Medieninteresse wecken würde, und die Obduktion selbst vorgenommen. Das hatte sich gelohnt. Ihre Aussage würde in ganz Amerika, wenn nicht sogar weltweit ausgestrahlt. Sie war attraktiv, intelligent, kompetent und gründlich. Diese halbe Stunde im Zeugenstand war also wie eine halbstündige Bewerbungssendung für einen lukrativen Job als selbstständige Gerichtsgutachterin oder Kommentatorin. Aus seiner gemeinsamen Zeit mit ihr wusste Bosch zumindest eines über sie: Claudia Corazon hatte immer schon sehr genaue Vorstellungen gehabt, wie ihr nächster Schritt aussehen würde.
Ihr Auto stand in der Parkgarage neben dem Bewährungsamt auf der Rückseite des Gerichtskomplexes. Sie unterhielten sich über Belanglosigkeiten – das Wetter, Harrys Versuche, mit dem Rauchen aufzuhören –, bevor Corazon auf den Fall zu sprechen kam
»Scheint recht gut zu laufen.«
»Bis jetzt.«
»Wäre schön, wenn wir zur
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