Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
Abwechslung mal einen wichtigen Fall gewinnen würden.«
»Allerdings.«
»Ich habe dich heute morgen bei deiner Zeugenaussage gesehen. Ich hatte den Fernseher in meinem Büro an. Du warst sehr gut, Harry.«
Diesen Ton kannte er. Sie wollte auf etwas Bestimmtes hinaus.
»Aber?«
»Aber du hast müde gewirkt. Und du bist dir doch im Klaren darüber, dass sie es auf dich abgesehen haben. Wenn es ihnen bei so einem Fall gelingt, den Cop auseinander zu nehmen, kann die Anklage einpacken.«
»Wie wir bei O. J. sehr schön gesehen haben.«
»Genau. Bist du also auf ihre Attacken gefasst?«
»Ich denke schon.«
»Gut. Dann ruh dich einfach aus.«
»Das ist leichter gesagt als getan.«
Als sie sich der Parkgarage näherten, sah Bosch zum Bewährungsamt hinüber, vor dem die Belegschaft zu einer Art Feier versammelt war. Die Gruppe stand unter einem vom Dach hängenden Transparent mit der Aufschrift WILLKOMMEN, THELMA. Ein Mann im Anzug überreichte einer korpulenten Schwarzen, die auf einen Stock gestützt war, eine Plakette.
»Ach … das ist diese Bewährungshelferin«, sagte Corazon. »Die letztes Jahr niedergeschossen wurde. Von diesem Killer aus Las Vegas.«
»Ach ja, richtig.« Bosch erinnerte sich an die Geschichte. »Sie tritt ihren Dienst wieder an.«
Ihm fiel auf, dass nirgendwo eine Fernsehkamera war, die die Begrüßungsfeier aufzeichnete. Eine Frau wurde im Dienst niedergeschossen und nahm nach langer Rekonvaleszenz ihre Arbeit wieder auf. Anscheinend war das keinen Meter Videotape wert.
»Ja, willkommen«, sagte Bosch.
Corazons Auto stand in der ersten Etage. Es war ein zweisitziger schwarzer Mercedes.
»Deine Nebenjobs scheinen recht einträglich zu sein«, sagte er.
Corazon nickte.
»In meinem letzten Arbeitsvertrag habe ich mir vier freie Wochen ausbedungen. Aus denen versuche ich das Beste zu machen. Prozesse, Fernsehen, was eben so dazugehört. In dieser Autopsie-Sendung auf HBO habe ich einen Fall vorgestellt. Es kommt nächsten Monat.«
»Wenn du nicht aufpasst, wirst du noch weltberühmt, Claudia.«
Sie trat lächelnd auf ihn zu und rückte seine Krawatte zurecht.
»Ich weiß, was du davon hältst, Harry. Ist auch völlig okay.«
»Spielt doch keine Rolle, was ich davon halte. Bist du glücklich?«
Sie nickte.
»Sehr.«
»Das freut mich für dich. Ich gehe jetzt lieber mal wieder zurück. Bis demnächst, Claudia.«
Plötzlich stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. Es war lang her, dass er so einen bekommen hatte.
»Ich hoffe, du schaffst es, Harry.«
»Ja, ich auch.«
***
Bosch trat aus dem Lift auf den Flur hinaus und ging zum Gerichtssaal. Hinter der Absperrung vor dem Eingang stand eine Schlange von Leuten, die darauf warteten, dass ein Zuschauerplatz frei wurde. An der offenen Tür des Presseraums drückten sich ein paar Journalisten herum, aber alle anderen waren auf ihren Plätzen und verfolgten den Prozess.
»Detective Bosch?«
Bosch drehte sich um. In einer Telefonnische stand Jack McEvoy, der Journalist, den er am Tag zuvor getroffen hatte. Er blieb stehen.
»Ich habe Sie rausgehen sehen und auf Sie gewartet.«
»Ich muss wieder zurück in den Saal.«
»Ich weiß. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich unbedingt über etwas mit Ihnen sprechen muss. Je früher, desto besser.«
»Aha. Und was soll das Wichtiges sein?«
»Etwas, das Sie betrifft.«
McEvoy verließ die Nische und kam auf Bosch zu, um nicht so laut sprechen zu müssen.
»Und was soll das sein?«
»Wissen Sie, dass das Sheriff’s Department gegen Sie ermittelt?«
Bosch sah den Flur hinauf zum Eingang des Gerichtssaals und dann wieder zu McEvoy, der langsam einen Block und einen Stift hervorholte. Er war bereit, sich Notizen zu machen.
»Augenblick.« Bosch legte die Hand auf den Notizblock. »Was soll das heißen? Weswegen wird gegen mich ermittelt?«
»Edward Gunn, erinnern Sie sich noch? Er ist tot und man hat Sie im Verdacht.«
Bosch sah ihn nur mit leicht offenem Mund an.
»Ich dachte nur, dass Sie dazu vielleicht etwas sagen wollen. Sie wissen schon, etwas zu Ihrer Verteidigung vorbringen. Ich werde für die nächste Ausgabe einen Artikel schreiben und wollte Ihnen eine Gelegenheit geben, die Sache aus Ihrer Sicht –«
»Nein, kein Kommentar. Ich muss in den Saal zurück.«
Bosch drehte sich um und machte ein paar Schritte in Richtung Saaltür, blieb dann aber stehen. Er ging zu McEvoy zurück, der in seinen Notizblock schrieb.
»Was schreiben Sie
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