Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
als Theater durchschauen würden.
»Nun gut, Euer Ehren«, sagte er mit der gehörigen Portion Frustration in der Stimme. »Dann habe ich vorläufig keine weiteren Fragen an die Zeugin.«
Der Richter unterbrach die Verhandlung für die fünfzehnminütige Nachmittagspause. Bosch begleitete Gilley durch das Gedränge der Journalisten nach unten und zu ihrem Auto hinaus. Er versicherte ihr, sie habe ihre Sache sehr gut gemacht und sich bei Fowkkes’ Kreuzverhör optimal verhalten. Hinterher suchte er Kretzler und Langwiser im Büro der Staatsanwaltschaft im ersten Stock auf, wo die Ankläger für die Dauer des Prozesses ihr provisorisches Büro hatten. Dort gab es eine Kaffeemaschine, in der noch etwa die Hälfte des während der Vormittagspause aufgebrühten Kaffees übrig war. Da die Zeit nicht reichte, um frischen zu machen, tranken alle den abgestandenen Kaffee, während Kretzler und Langwiser über den Verlauf des Verhandlungstages sprachen.
»Ich glaube, die Strategie, sie als Hure abzustempeln, wird sich für die Verteidigung noch als gewaltiger Schuss in den Ofen erweisen«, sagte Langwiser. »Da müssen sie sich schon was Besseres einfallen lassen.«
»Er versucht nur zu zeigen, dass es viele Männer gab«, sagte Kretzler. »Und dass es jeder von denen gewesen sein könnte. Die Flintenstrategie. Man verschießt eine Menge Schrotkörner und eins davon trifft dann schon.«
»Damit werden sie aber nicht durchkommen.«
»Ich kann nur eines sagen: Wenn John Reason weiter bei allen Zeugen passt, kommen wir sehr schnell voran. Falls er in diesem Stil weitermacht, haben wir die Präsentation des Falls bis Dienstag oder Mittwoch abgeschlossen.«
»Gut. Ich kann kaum erwarten, was sie alles haben.«
»Ich schon«, warf Bosch ein.
Langwiser sah ihn an.
»Ach was, Harry. So was stehen Sie doch nicht zum ersten Mal durch.«
»Schon, aber dieses Mal habe ich kein gutes Gefühl.«
»Machen Sie sich mal keine Sorgen«, sagte Kretzler. »Wir machen sie nach Strich und Faden fertig. Wir sind am Drücker, Mann, und das bleiben wir auch.«
Sie stießen mit ihren drei Styroporbechern an.
* * *
Boschs derzeitiger Partner Jerry Edgar und seine frühere Partnerin Kizmin Rider sagten am Nachmittag aus. Beide wurden von den Anklägern aufgefordert, sich an die Augenblicke nach der Durchsuchung von David Storeys Haus zu erinnern, als Bosch in den Wagen stieg und ihnen erzählte, Storey habe sich gerade damit gebrüstet, die Tat begangen zu haben. Ihre Aussagen standen in Einklang mit Boschs eigener Aussage und würden den Fall gegen Angriffe der Verteidigung auf Boschs Charakter untermauern. Außerdem wusste Bosch, dass die Ankläger hofften, sich bei den Geschworenen zusätzliche Glaubwürdigkeit zu verschaffen, weil sowohl Edgar als auch Rider schwarz waren. Fünf Geschworene und die zwei Ersatzleute waren Schwarze. In einer Zeit, in der die Integrität eines weißen Polizisten in Los Angeles von schwarzen Geschworenen grundsätzlich angezweifelt wurde, war es ein Plus, wenn Edgar und Rider sich mit Bosch solidarisch zeigten.
Rider sagte als Erste aus und Fowkkes verzichtete auf ein Kreuzverhör. Edgars Aussage war identisch mit ihrer. Er bekam jedoch zusätzliche Fragen gestellt, weil er den zweiten in dem Fall ausgestellten Durchsuchungsbefehl überbracht hatte. Dabei handelte es sich um eine gerichtliche Anordnung, von David Storey Haar- und Blutproben zu nehmen. Sie war von einem Richter ausgestellt worden, als Bosch in New York war, um der Architectural-Digest- Spur nachzugehen, und Rider einen schon vor dem Mord gebuchten Urlaub auf Hawaii machte. Mit einem Streifenpolizisten im Schlepptau erschien Edgar wieder einmal um sechs Uhr morgens mit einem Durchsuchungsbefehl an der Tür von Storeys Haus. Er sagte aus, Storey habe sie draußen warten lassen, während er sich mit seinem Anwalt in Verbindung setzte, bei dem es sich inzwischen um den Strafverteidiger J. Reason Fowkkes handelte.
Sobald Fowkkes über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt war, riet er Storey zur Kooperation, worauf sich der Angeklagte ins Parker Center in Downtown Los Angeles bringen ließ, wo ihm von einer Laborantin Proben seines Scham- und Kopfhaars sowie eine Blutprobe abgenommen wurden.
»Haben Sie dem Angeklagten irgendwelche Fragen zu dem Verbrechen gestellt, während Sie zum Parker Center unterwegs waren und während ihm dort die Proben entnommen wurden?«, fragte Kretzler.
»Nein«, antwortete Edgar. »Bevor wir sein Haus verließen,
Weitere Kostenlose Bücher