Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
den Geschworenen die Titel der Filme nennen, die Sie geschrieben haben und die produziert worden sind?«
»Also … bisher wurde noch keins meiner Projekte realisiert. Ich habe ein paar Optionen und glaube, in ein paar –«
»Ich verstehe. Würde es Sie überraschen zu erfahren, dass Sie in den vergangenen vier Jahren Mr. Storey insgesamt neunundzwanzig Mal Projekte oder Filmexposés angeboten haben, die alle abgelehnt wurden?«
Wiggans Gesicht rötete sich vor Verlegenheit.
»Also, ich … ich denke, das könnte stimmen. Aber … so genau weiß ich das wirklich nicht. Ich führe, im Gegensatz zu Mr. Storey, nicht Buch, wie oft etwas von mir abgelehnt wird.«
Den letzten Satz sagte er so schnippisch, dass Bosch fast zusammenzuckte. Es gab nichts Schlimmeres als einen Zeugen, der im Zeugenstand einer Lüge überführt wurde und sich dann zu rechtfertigen versuchte. Bosch blickte zu den Geschworenen hinüber. Einige sahen den Zeugen nicht an, ein Zeichen, dass ihnen ebenso wenig wohl bei der Sache war wie Bosch.
Fowkkes setzte zum Todesstoß an.
»Sie erhielten vom Angeklagten neunundzwanzig Absagen und dennoch behaupten Sie, ihm deswegen nicht böse zu sein. Ist das richtig, Sir?«
»Das ist in Hollywood vollkommen normal. Fragen Sie, wen Sie wollen.«
»Nun, Mr. Wiggan, ich frage Sie. Wollen Sie den Geschworenen sagen, Sie würden diesem Mann nichts nachtragen, obwohl Ihnen dieser Mann immer wieder erklärt hat, dass Ihre Drehbücher nicht gut genug sind?«
Wiggan murmelte seine Antwort fast ins Mikrophon.
»Ja, das ist richtig.«
»Dann sind Sie eindeutig ein besserer Mensch als ich, Mr. Wiggan«, sagte Fowkkes. »Danke, Euer Ehren. Vorerst habe ich keine weiteren Fragen.«
Bosch konnte einige Luft aus dem Ballon der Anklage entweichen spüren. Mit vier Fragen und in weniger als zwei Minuten hatte Fowkkes Wiggans gesamte Glaubwürdigkeit infrage gestellt. Und das Schönste an der geschickten Operation des Strafverteidigers war, dass Kretzler so gut wie nichts tun konnte, um Wiggan bei einer erneuten Befragung wiederzubeleben. Zumindest war der Ankläger klug genug, es erst gar nicht zu versuchen, um möglicherweise nicht noch mehr Schaden anzurichten. Er entließ den Zeugen und der Richter vertagte die Verhandlung für die fünfzehnminütige Vormittagspause.
Als die Geschworenen den Saal verlassen hatten und die Zuschauer nach draußen zu strömen begannen, beugte sich Kretzler an Langwiser vorbei zu Bosch hinüber.
»Eigentlich hätten wir uns denken können, dass dieser Idiot Mist bauen würde«, flüsterte er wütend.
Bosch blickte sich um, um sich zu vergewissern, dass ihn kein Journalist hören konnte. Dann neigte er sich Kretzler zu.
»Wahrscheinlich haben Sie recht. Aber vor sechs Wochen waren Sie derjenige, der gesagt hat, er würde sich darum kümmern, Wiggan zu verarzten. Für den Mann waren Sie verantwortlich, nicht ich. Ich hole mir jetzt einen Kaffee.«
Bosch stand auf und ließ die beiden Ankläger sitzen.
Nach der Pause glaubten die Ankläger, nach dem verheerenden Kreuzverhör Wiggans sofort schweres Geschütz auffahren zu müssen. Sie verzichteten darauf, einen weiteren Zeugen bestätigen zu lassen, dass er Storey und das Opfer auf der Premierenfeier gesehen hatte. Stattdessen rief Langwiser einen Alarmanlagentechniker namens Jamal Hendricks in den Zeugenstand.
Bosch führte Hendricks, einen Schwarzen, vom Flur in den Saal. Er trug eine blaue Hose und eine hellblaue Uniformjacke, auf deren zwei Brusttaschen sein Vorname und das Logo von Lighthouse Security gestickt waren. Er hatte vor, zur Arbeit zu gehen, sobald er seine Aussage gemacht hatte.
Beim Betreten des Gerichtssaals fragte Bosch Hendricks leise, ob er nervös sei.
»Nee«, antwortete Hendricks. »Wieso denn?«
Sobald er im Zeugenstand war, wurde er von Langwiser zunächst nach seiner Vorgeschichte als Wartungstechniker bei der Alarmanlagenfirma gefragt. Dann wandte sie sich speziell seiner Arbeit an der Alarmanlage von David Storeys Haus zu. Hendricks sagte aus, acht Monate zuvor ein hochwertiges Millennium-21-System in dem Haus im Mulholland Drive installiert zu haben.
»Können Sie uns einige der Besonderheiten des Millennium-21-Systems erklären?«
»Also, diese Anlage ist zur Zeit das Beste, was es auf dem Markt gibt. Mit allen Schikanen. Fernabfrage und -bedienung, Bedienungssoftware auf Spracherkennungsbasis, automatische Sensorabfrage, ein Innkeeper-Programm … egal, welche Extras es sonst noch gibt,
Weitere Kostenlose Bücher