Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
vielleicht bin ich ja nur … ich weiß auch nicht, irgendwie spießig und altmodisch, was das angeht.«
Sie hielt den Blick gesenkt und zwei weitere Tränen liefen über ihre Wangen. Bosch sah, wie ein Tropfen auf den Kragen ihrer Chiffonbluse fiel und einen Fleck hinterließ. Langwiser fuhr sehr behutsam mit der Befragung fort.
»Wann haben Sie sich mit der Polizei wegen des Vorfalls zwischen Ihnen und dem Angeklagten in Verbindung gesetzt?«
»Als ich las, dass er verhaftet worden war, weil er Jody Krementz auf die gleiche Weise umgebracht hatte«, antwortete Annabelle Crowe, inzwischen mit weniger gepresster Stimme.
»Sprachen Sie damals mit Detective Bosch?«
Sie nickte.
»Ja. Und mir wurde klar, dass, wenn ich … wenn ich die Polizei schon damals angerufen hätte, dass sie dann vielleicht noch …«
Sie sprach nicht zu Ende. Sie riss eine Handvoll Papiertücher aus der Box und brach in Tränen aus. Langwiser sagte dem Richter, sie sei mit ihrer Befragung fertig. Fowkkes erklärte, es werde ein Kreuzverhör geben, schlug aber vor, erst eine Pause zu machen, damit die Zeugin sich wieder beruhigte. Judge Houghton sagte, das sei eine gute Idee, und ordnete eine Pause von fünfzehn Minuten an.
Bosch blieb im Gerichtssaal und passte auf Annabelle Crowe auf, während diese sich über die Box mit Papiertüchern hermachte. Als sie alle durch hatte, war ihr Gesicht nicht mehr so schön. Es war verzerrt und rot, mit verquollenen Augenhöhlen. Bosch fand, sie war sehr überzeugend gewesen, aber er wusste auch, dass sie es noch nicht mit Fowkkes zu tun bekommen hatte. Ob ihr die Geschworenen irgendwas von ihrer Aussage abnehmen würden, hing davon ab, wie sie sich beim Kreuzverhör hielt.
Als Langwiser in den Saal zurückkam, sagte sie Bosch, an der Außentür des Gerichtssaals sei jemand, der ihn sprechen wolle.
»Wer?«
»Ich habe ihn nicht nach seinem Namen gefragt. Ich habe nur mitbekommen, wie er mit den Deputies verhandelt hat, als ich in den Saal zurück bin. Sie wollten ihn nicht reinlassen.«
»Hatte er einen Anzug an? Ein Schwarzer?«
»Nein, er trug normale Straßenkleidung. Eine Windjacke.«
»Behalten Sie Annabelle im Auge. Und besorgen Sie schon mal neue Papiertücher.«
Er stand auf und ging zur Tür. Als er sich dabei an den Leuten vorbeizwängte, die nach der Pause in den Saal zurückströmten, fand er sich plötzlich Rudy Tafero gegenüber. Bosch wollte ihm rechts ausweichen, aber Tafero schwenkte nach links. Sie tanzten ein paarmal hin und her und Tafero grinste. Schließlich blieb Bosch stehen und bewegte sich nicht mehr, bis Tafero an ihm vorbei war.
Als er sich auf dem Flur umblickte, entdeckte er niemanden, den er kannte. Dann kam Terry McCaleb aus der Herrentoilette und sie nickten sich zu. Bosch trat an das Geländer vor einem der raumhohen Fenster, die sich auf den darunter liegenden Platz öffneten. McCaleb stellte sich neben ihn.
»Ich habe etwa zwei Minuten Zeit, dann muss ich wieder zurück.«
»Ich will bloß wissen, ob wir heute nach der Verhandlung miteinander reden können. Es hat sich nämlich einiges getan.«
»Das habe ich auch schon gemerkt. Heute sind hier zwei FBI-Agenten aufgetaucht.«
»Was haben Sie ihnen gesagt?«
»Dass sie sich verpissen sollen. Sie waren ziemlich sauer.«
»Bei FBI-Agenten kommt so eine Ausdrucksweise nicht besonders gut an, Bosch. Das sollten Sie eigentlich inzwischen wissen.«
»Tja, ich bin eben etwas langsam von Begriff.«
»Hätten Sie hinterher Zeit?«
»Meinetwegen. Außer Fowkkes macht die Zeugin zur Schnecke. Dann könnte sein, dass sich das Anklageteam irgendwohin zurückziehen muss, um seine Wunden zu lecken.«
»Okay, dann bleibe ich hier und sehe es mir im Fernsehen an.«
»Bis später.«
Als Bosch in den Gerichtssaal zurückging, fragte er sich, was McCaleb so rasch herausgefunden haben könnte. Die Geschworenen waren bereits auf ihren Plätzen und der Richter erteilte Fowkkes grünes Licht. Der Verteidiger wartete höflich, als Bosch an ihm vorbei zum Tisch der Anklage ging. Dann begann er.
»Nun, Ms. Crowe, ist Schauspielerin Ihr Hauptberuf?«
»Ja.«
»Haben Sie uns hier heute etwas vorgespielt?«
Langwiser erhob sofort Einspruch und warf Fowkkes aufgebracht vor, die Zeugin zu beleidigen. Bosch fand ihre Reaktion etwas überzogen, aber ihm war klar, sie wollte Fowkkes zu verstehen geben, dass sie ihre Zeugin bis aufs Messer verteidigen würde. Der Richter gab dem Einspruch nicht statt und erklärte, Fowkkes habe
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