Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
sprechen kam, dass der Umstand, dass er 48 Minuten zu spät im Postamt eingetroffen war, möglicherweise dazu führen würde, dass sich Boschs Unschuld und Taferos Schuld nicht beweisen ließen, zuckte Bosch zusammen und griff nach der Flasche, stellte sie dann aber wieder ab, ohne daraus zu trinken.
»Aber der Strafzettel wegen Falschparkens beweist doch, dass er im Postamt war«, führte Bosch an.
»Von wegen. Sein Büro liegt nur fünf Straßen weiter. Er könnte behaupten, er hätte keinen näheren Parkplatz gefunden. Oder er könnte sagen, er hat das Auto jemand anders geliehen. Das beweist gar nichts.«
McCaleb wollte sich nicht auf das konzentrieren, was sie nicht hatten. Er wollte Lücken schließen.
»Übrigens, der Frühschicht-Diensthabende hat uns erzählt, Sie hätten darum gebeten, jedes Mal, wenn Gunn in die Ausnüchterungszelle kam, verständigt zu werden. Könnte Tafero das gewusst haben? Entweder von früher, als er noch bei der Polizei war, oder über andere Kanäle?«
»Das könnte er gewusst haben. Es war kein Geheimnis. Ich hatte bei Gunn noch nicht aufgegeben. Eines Tages hätte ich ihn drangekriegt.«
»Da fällt mir ein – wie hat Pounds ausgesehen?«
Bosch sah ihn verständnislos an.
»Klein, dick, Glatze, Schnurrbart?«
Bosch nickte, und noch bevor er eine Frage stellen konnte, wurde sie ihm von McCaleb beantwortet.
»In Taferos Büro hängt ein Foto von Pounds. Wie er ihm die ›Detective des Monats‹-Plakette überreicht. Ich wette, Sie haben nie eins von diesen Dingern bekommen, Harry.«
»Wie denn, wenn Pounds die Kandidaten bestimmt hat?«
McCaleb blickte auf und sah, dass Jaye Winston die Bar betreten hatte. Sie hatte einen Aktenkoffer bei sich. Er nickte ihr zu, worauf sie auf die Nische zukam. Sie ging mit hochgezogenen Schultern, als taste sie sich durch eine Mülldeponie voran.
McCaleb rutschte zur Seite und sie setzte sich neben ihn auf die Bank.
»Nettes Lokal.«
»Ich glaube, Sie kennen Jaye Winston bereits, Harry«, sagte McCaleb.
Bosch und Winston sahen sich an.
»Zuallererst«, sagte Winston, »möchte ich mich wegen dieser Sache mit Kiz entschuldigen. Hoffentlich –«
»Wir tun, was wir tun müssen«, sagte Bosch. »Möchten Sie was trinken? Man wird hier an den Tischen nicht bedient.«
»Ich wäre entsetzt, wenn es anders wäre. Maker’s Mark, mit Eis, wenn sie welchen haben.«
»Nachschub, Terry?«
»Nein, danke, ich bin noch versorgt.«
Bosch stand auf, um den Drink zu holen. Winston wandte sich McCaleb zu.
»Wie läuft’s?«
»Kleine Teilchen, hier und da.«
»Wie nimmt er es auf?«
»Für jemand, der schwer in der Klemme steckt, nicht übel. Wie ist es Ihnen ergangen?«
Die Art, wie sie lächelte, verriet McCaleb, dass sie fündig geworden war.
»Ich habe das Foto und ein paar andere … interessante … Dinge für Sie.«
Bosch stellte Winstons Drink auf den Tisch und zwängte sich wieder in die Nische.
»Sie hat gelacht, als ich einen Maker’s Mark bestellt habe«, sagte er. »Das hier ist die Hausmarke.«
»Na prima. Danke.«
Winston schob ihr Glas beiseite und legte ihren Aktenkoffer auf den Tisch. Sie klappte ihn auf und nahm einen Ordner heraus. Dann schloss sie ihn und stellte ihn außerhalb der Nische auf den Boden. McCaleb beobachtete, wie Bosch ihr dabei zusah. Er hatte eine erwartungsvolle Miene aufgesetzt.
Winston schlug den Ordner auf und schob McCaleb eine 13x18-Vergrößerung von Rudy Tafero zu.
»Das Foto stammt aus seinem Kautionsvermittlerausweis. Es ist elf Monate alt.«
Dann zog sie ein maschinenbeschriebenes Blatt mit Notizen zu Rate.
»Ich bin zum County-Gefängnis rausgefahren und habe mir alles über Storey geben lassen. Dort war er inhaftiert, bis er wegen des Prozesses nach Van Nuys verlegt wurde. Im County-Gefängnis bekam er neunzehnmal von Tafero Besuch. Die ersten zwölf Besuche bekam er in den ersten drei Wochen, die er dort einsaß. Fowkkes kam ihn in der gleichen Zeit nur viermal besuchen. Ein Anwalt aus Fowkkes’ Kanzlei besuchte ihn ebenfalls viermal und Storeys Chefsekretärin, eine gewisse Betilda Lockett, besuchte ihn sechsmal. Das war’s dann auch schon. Mit seinem Ermittler traf er sich öfter als mit seinen Anwälten.«
»Damals müssen sie das Ganze geplant haben«, sagte McCaleb.
Sie nickte und lächelte noch einmal auf dieselbe eigenartige Weise.
»Was ist?«, fragte McCaleb.
»Ich spare mir das Beste bis zum Schluss auf.«
Sie nahm ihren Aktenkoffer wieder hoch und öffnete
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