Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
eine letzte Frage«, sagte McCaleb. »Können Sie sich vielleicht erinnern, ob der Cop mal zur selben Zeit hier war wie Eddie Gunn – entweder gemeinsam oder getrennt?«
Sie dachte kurz nach und beugte sich vor.
»Könnte durchaus sein. Aber erinnern kann ich mich nicht.«
McCaleb nickte. Er war ziemlich sicher, das war das Beste, was er aus ihr herausbekommen konnte. Er überlegte, ob er etwas Geld auf der Bar liegen lassen sollte. Mit so etwas hatte er auch schon Probleme gehabt, als er noch Agent gewesen war. Er hatte nie gewusst, wann es angebracht und wann es beleidigend war.
»Darf ich Sie jetzt auch was fragen?«, sagte Miranda.
»Was?«
»Haben Ihnen meine Dinger gefallen?«
Er spürte, wie sich sein Gesicht vor Verlegenheit sofort zu verfärben begann.
»Ich meine, geguckt haben Sie ja genug. Drum dachte ich mir, frag einfach mal.«
Sie blickte zu den Nutten hinüber und grinste mit ihnen. McCalebs Verlegenheit amüsierte sie sichtlich.
»Sie sind wirklich klasse«, sagte er, als er vom Tresen zurücktrat und einen Zwanziger darauf liegen ließ. »Sicher kommen einige Leute ihretwegen immer wieder. Wahrscheinlich ist deswegen auch Eddie Gunn immer wieder gekommen.«
Er ging zum Ausgang und die Worte, die sie ihm nachrief, prasselten den ganzen Weg bis zur Tür auf seinen Rücken ein.
»Dann sollten Sie vielleicht auch wieder mal herkommen und sie ausprobieren, Officer!«
Als er nach draußen ging, hörte er die Nutten juchzen und die Handflächen gegeneinander klatschen.
* * *
McCaleb saß vor dem Nat’s in seinem Cherokee und versuchte die Verlegenheit abzuschütteln. Er konzentrierte sich auf die Informationen, die er von der Barfrau erhalten hatte. Gunn war Stammgast gewesen und könnte am letzten Abend seines Lebens in der Bar gewesen sein. Zweitens konnte sie sich an Bosch als Gast erinnern. Auch er könnte am letzten Abend von Gunns Leben in der Bar gewesen sein. Der Umstand, dass diese Informationen indirekt von Bosch kamen, war verwirrend. Wieder fragte er sich, warum ihm Bosch – falls er Gunns Mörder war – einen Hinweis gegeben hatte, dem er nachgehen konnte. War es Arroganz, Ausdruck der festen Überzeugung, dass er auf keinen Fall verdächtigt würde und deshalb im Zuge der Nachforschungen in der Bar keine Erwähnung fände? Oder gab es vielleicht ein verstecktes psychologisches Motiv? McCaleb wusste, viele Verbrecher machten Fehler, die zu ihrer Überführung führten, weil sie im Unterbewusstsein nicht ungestraft davonkommen wollten. Das Gesetz des ewigen Kreislaufs, dachte McCaleb. Vielleicht sorgte Bosch unbewusst dafür, dass sich das große Rad auch für ihn drehte.
Er machte sein Handy an und prüfte die Intensität des Signals. Es war ausreichend. Er wählte Jaye Winstons Privatnummer. Während es bei ihr läutete, sah er auf die Uhr und entschied, es war noch nicht zu spät für einen Anruf. Nach dem fünften Läuten nahm sie endlich ab.
»Ich bin’s. Ich habe Verschiedenes.«
»Ich auch. Aber ich bin noch am Telefonieren. Kann ich Sie zurückrufen, wenn ich fertig bin?«
»Ja, jederzeit.«
Er machte das Telefon aus und blieb im Auto sitzen und dachte nach. Nach einer Weile sah er, wie die weiße Nutte aus der Bar kam. Sie hatte einen Mann mit einer Baseballkappe im Schlepptau. Beide steckten sich eine Zigarette an und gingen die Straße hinunter zu einem Motel, das Skylark hieß.
McCalebs Telefon trällerte. Es war Winston.
»Langsam beginnt sich das Bild abzurunden, Terry. Inzwischen sind auch meine letzten Zweifel ausgeräumt.«
»Was haben Sie rausgefunden?«
»Sie zuerst. Sie sagten, Sie hätten Verschiedenes.«
»Nein, Sie. Was ich rausgefunden habe, ist eher nebensächlich. Aber Sie hören sich an, als hätten Sie eine wichtige Entdeckung gemacht.«
»Okay, dann hören Sie zu. Harry Boschs Mutter war Prostituierte. In Hollywood. Sie wurde ermordet, als er noch klein war. Der Täter wurde nie gefasst. Wie finden Sie das als psychologische Untermauerung, Mr. Profiler?«
McCaleb antwortete nicht. Die neue Information war verblüffend und füllte viele Lücken ihrer Arbeitshypothese. Er beobachtete die Nutte und ihren Freier, die jetzt am Fenster des Motelbüros standen. Der Mann steckte Geld durch und bekam einen Schlüssel. Sie gingen durch eine Glastür nach drinnen.
»Gunn bringt eine Prostituierte um und kommt ungeschoren davon«, fuhr Winston fort, als McCaleb nichts sagte. »Genauso ist es auch seiner Mutter ergangen.«
»Wie haben Sie das
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