Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
wird, wenn ihr das nächste Mal wieder dienstlich miteinander zu tun habt. Von mir weißt du es also nicht, ja?«
»In Ordnung. Hat sie dich über mich ausgefragt?«
»Ein bisschen. Aber nicht viel. Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht böse. Ich habe ihr gesagt, sie hätte keinen schlechten Geschmack. Und ich habe gesagt, wenn ich, du weißt schon, nicht so wäre, wie ich bin, wäre ich auch interessiert.«
»Danke, Kiz«, sagte Bosch, aber in Gedanken war er schon ganz woanders.
»Also dann, ich muss jetzt Schluss machen. Man sieht sich. Und mach sie morgen fertig, ja?«
»Ich werd’s versuchen.«
Sie hängte auf und Bosch legte langsam den Hörer zurück. Sein Magen zog sich noch fester zusammen. Er begann, über McCalebs Besuch und seine Fragen nachzudenken und was er auf sie geantwortet hatte. Und jetzt horchte auch noch Winston seine ehemalige Partnerin über ihn aus.
Er glaubte nicht, dass das Zufall war. Ihm war klar, dass sie ihn wegen der Ermordung Edward Gunns in Verdacht hatten. Und er wusste, er hatte McCaleb wahrscheinlich gerade das richtige Maß an psychologischen Einblicken gewährt, um ihn in dem Glauben zu bestärken, auf der richtigen Spur zu sein.
Bosch trank das Bier aus, das auf dem Nachttisch stand. Es hatte Zimmertemperatur und schmeckte schal. Er wusste, im Kühlschrank war kein Bier mehr. Er stand auf, um sich stattdessen eine Zigarette zu holen.
22
D as Nat’s war eine Bar von der Größe eines Eisenbahnwaggons, wie es in Hollywood viele gab. Tagsüber verkehrten dort Alkoholiker, in den frühen Abendstunden Nutten und ihre Klientel und spätabends die Leder- und Tattoo-Szene. Es war die Sorte Kneipe, in der man seine Drinks lieber nicht mit einer Gold-Kreditkarte zahlte, wenn man sie noch eine Weile behalten wollte.
McCaleb war im Musso’s zum Abendessen eingekehrt – sein Körper hatte, um den Betrieb nicht ganz einstellen zu müssen, nach Nahrung verlangt – und hatte es deshalb erst nach zehn ins Nat’s geschafft. Während er seine Hühnerkasserolle gegessen hatte, hatte er überlegt, ob es den Zeitaufwand überhaupt lohnte, in die Bar zu gehen und sich nach Gunn zu erkundigen. Der Tipp war vom Hauptverdächtigen gekommen. Würde ein Verdächtiger den Ermittler wissentlich auf die richtige Spur bringen? An sich nicht, aber andererseits hatte Bosch etwas getrunken und war sich des wahren Grunds von McCalebs Besuch in dem Haus auf dem Hügel nicht bewusst gewesen. Der Tipp konnte also durchaus richtig sein und McCaleb beschloss, jedem Anhaltspunkt nachzugehen.
Als er die Bar betrat, brauchte er ein paar Sekunden, um sich an das rötliche Schummerlicht zu gewöhnen. Als er deutlich sehen konnte, stellte er fest, dass das Lokal halb leer war. Es war die Übergangsphase zwischen früher Abendkundschaft und Nachtschwärmer-Szene. An einem Ende der entlang der linken Seite des Raums verlaufenden Bar saßen zwei Frauen, eine Schwarze und eine Weiße. Sie taxierten McCaleb aufmerksam und im selben Moment, in dem er in ihrem Blick Cop aufblitzen sah, leuchtete bei ihm Nutten auf. Insgeheim freute es ihn, dass man es ihm immer noch ansah. Er ging an ihnen vorbei in den hinteren Teil der Bar. Die Sitznischen auf der rechten Seite waren größtenteils besetzt. Niemand dort würdigte ihn eines Blickes.
Er stellte sich zwischen zwei freien Hockern an die Bar und winkte einem der zwei Barkeeper.
Aus der Musikbox im hinteren Teil der Bar plärrte »Night Moves«, ein alter Bob-Seger-Song. Die Barfrau beugte sich über den Tresen, um McCalebs Bestellung hören zu können. Sie trug eine zugeknöpfte schwarze Weste ohne Hemd darunter. Sie hatte langes glattes schwarzes Haar und in ihrer linken Augenbraue steckte ein dünner Goldring.
»Was darf’s sein?«
»Ein paar Auskünfte.«
McCaleb schob ein Führerscheinfoto Edward Gunns über den Tresen. Es war eine 9x13-Vergrößerung aus den Unterlagen, die Winston ihm gegeben hatte. Die Barfrau sah kurz das Foto an und dann wieder McCaleb.
»Was soll mit ihm sein? Er ist tot.«
»Woher wissen Sie das?«
Sie hob die Schultern.
»Weiß auch nicht. Hat sich wahrscheinlich irgendwie rumgesprochen. Sind Sie ein Cop?«
McCaleb nickte und sagte so leise, dass seine Antwort in der Musik unterging: »So was Ähnliches.«
Um ihn verstehen zu können, beugte sich die Barfrau noch weiter über den Tresen. Deshalb klaffte ihre Weste ein Stück auf und gab den Blick auf ihre kleinen, aber runden Brüste frei. Auf die linke war ein von
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