Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
wenn es nicht da war?«
»Im Wohnzimmer des Hauses ist ein großes eingebautes Bücherregal. Alle Borde waren voll mit Büchern. Auf einem Bord war ein Zwischenraum – eine Lücke –, wo sich ein Buch befunden hatte, das aber inzwischen fehlte. Wir bekamen nicht heraus, welches Buch das gewesen sein könnte. Nirgendwo im Haus lagen Bücher offen herum. Diesem Umstand maßen wir zunächst keine größere Bedeutung bei. Offensichtlich hatte jemand ein Buch aus dem Regal genommen und nicht wieder an seinen Platz zurückgestellt. Uns erschien es nur etwas seltsam, dass wir nicht herausbekommen konnten, wo dieses Buch war und um welches es sich handelte.«
Langwiser stellte einen Antrag, zwei Fotos des Bücherregals zeigen zu dürfen, die während der Haussuchung zu Beweiszwecken aufgenommen worden waren. Trotz des obligatorischen Einspruchs von Fowkkes ließ sie Richter Houghton als Beweisstücke zu. Auf einem Foto war das ganze Regal zu sehen, auf dem anderen nur eine Nahaufnahme des zweiten Bords mit der Lücke zwischen einem Buch mit dem Titel The Fifth Horizon und einer Biographie des Filmregisseurs John Ford mit dem Titel Print the Legend.
»Detective«, sagte Langwiser, »Sie sagten, Sie hätten zum damaligen Zeitpunkt nicht gewusst, ob dieses fehlende Buch irgendwelche Bedeutung oder Auswirkung auf den Fall haben könnte, richtig?«
»Das ist richtig.«
»Konnten Sie schließlich feststellen, welches Buch aus dem Regal entfernt worden war?«
»Ja.«
Langwiser hielt inne. Bosch wusste, was sie vorhatte. Das Ganze war sorgfältig inszeniert. Er hielt sie für eine gute Geschichtenerzählerin. Sie wusste, wie man einen Spannungsbogen aufbaute, die Zuhörer bei der Stange hielt, sie bis an den Rand des Abgrunds führte und dann zurückzog.
»Nun, alles schön der Reihe nach«, sagte sie schließlich. »Wir werden zu diesem Buch zurückkommen. Hatten Sie am Tag der Haussuchung Gelegenheit, mit Mr. Storey zu sprechen?«
»Er war sehr distanziert und telefonierte die meiste Zeit. Aber wir sprachen miteinander, als wir bei ihm klopften und die Durchsuchung ankündigten. Und dann noch einmal am Ende des Tages, als ich ihm sagte, wir würden jetzt gehen und nichts mitnehmen.«
»Haben Sie ihn aufgeweckt, als Sie um sechs Uhr morgens vor seiner Tür standen?«
»Ja, das haben wir.«
»War er allein im Haus?«
»Ja.«
»Hat er Sie nach drinnen gebeten?«
»Zunächst nicht. Er protestierte gegen die Durchsuchung. Ich sagte ihm –«
»Entschuldigung, Detective, vielleicht sollten wir das Ganze der Einfachheit halber einfach zeigen. Sie sagten, Sie wurden von einem Fotografen und Videokameramann begleitet. Hatte er seine Kamera an, als Sie um sechs Uhr morgens bei Mr. Storey klopften?«
»Ja, er hatte sie an.«
Darauf stellte Langwiser die entsprechenden Anträge, das Durchsuchungsvideo vorführen zu dürfen. Es wurde ihr trotz des Einspruchs der Verteidigung gestattet. Daraufhin wurde ein großes Fernsehgerät in den Saal geschoben und vor der Geschworenenbank aufgestellt. Nachdem Bosch die Videokassette identifiziert hatte, wurden die Lichter im Saal gedimmt und das Video abgespielt.
Die erste Einstellung zeigte Bosch an der roten Eingangstür eines Hauses. Er wies sich aus und nannte die Adresse und die Fallnummer. Er sprach leise. Dann drehte er sich um und klopfte fest gegen die Tür. Er rief »Polizei« und klopfte noch einmal fest. Sie warteten. Bosch klopfte so lange alle fünfzehn Sekunden an die Tür, bis sie schließlich etwa zwei Minuten nach dem ersten Klopfen einen Spalt breit geöffnet wurde. Mit zerzausten Haaren und verschlafenen Augen blickte David Storey nach draußen.
»Was wollen Sie?«, fragte er.
»Wir haben hier einen Durchsuchungsbefehl, Mr. Storey«, sagte Bosch. »Er ermächtigt uns, eine Durchsuchung dieser Räumlichkeiten vorzunehmen.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Nein, Sir. Würden Sie bitte zurücktreten und uns nach drinnen lassen? Je früher wir drin sind, desto früher sind wir wieder draußen.«
»Ich rufe meinen Anwalt an.«
Storey machte die Tür zu und schloss sie ab. Bosch trat sofort ganz dicht an die Tür und hielt sein Gesicht an den Türstock. Er rief laut: »Mr. Storey, Sie haben zehn Minuten Zeit. Wenn Sie diese Tür nicht bis sechs Uhr fünfzehn geöffnet haben, brechen wir sie auf. Wir haben einen gerichtlichen Durchsuchungsbefehl und wir werden ihn ausführen.«
Er drehte sich zur Kamera um und machte mit der Hand das Cut-Zeichen vor seiner
Weitere Kostenlose Bücher