Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
ein Jahr – das war, als ich und Jack längst wieder andere Fälle machten –, zu dieser Zeit bekam Jack wegen der Nummern einen Anruf aus Westwood. Das fiel mir plötzlich alles wieder ein, nachdem du kürzlich hier warst.«
Ich nahm an, Cross meinte einen FBI-Agenten, der seinen Partner angerufen hatte. Es war beim LAPD nicht ungewöhnlich, dass Detectives einen FBI-Agenten nie als solchen bezeichneten, gerade so, als ob es diesen ein wenig herabsetzte, wenn sie ihm seinen Titel verweigerten. Die zwei konkurrierenden Ermittlungsbehörden hatten sich noch nie riechen können. Jedenfalls befand sich die FBI-Zentrale von Los Angeles in Westwood im Wilshire Boulevard und beherbergte den ganzen Sandkasten bundespolizeilicher Aktivitäten. Einmal alle Rivalität beiseite, ich musste Gewissheit haben.
»Ein FBI-Agent?«, fragte ich.
»Ja, ein Agent. Eine Agentin, um genau zu sein.«
»Okay. Was hat sie euch beiden erzählt?«
»Gesprochen hat sie nur mit Jack, aber Jack hat mir alles erzählt. Die Agentin sagte, dass eine der Nummern nicht stimmte, und als Jack darauf fragte: ›Tatsächlich? Wie das?‹, erzählte ihm die Agentin, die Liste wäre überall im Gebäude rumgegangen und schließlich auf ihrem Schreibtisch gelandet, und als sie sich dann die Zeit genommen hätte, die Nummern der Geldscheine in ihren Computer einzuscannen, hätte es mit einer ein Problem gegeben.«
Er hielt inne, wie um Atem zu holen. Als er sich wieder die Lippen leckte, erinnerte er mich an ein Unterwasserlebewesen, das aus einer Felsspalte lugt.
»Echt blöd, dass dein Flachmann schon leer ist, Harry.«
»Tja, leider. Nächstes Mal dann wieder. Was gab es mit der Nummer für ein Problem?«
»Also, soweit ich mich erinnere, hat diese Frau Jack erzählt, dass sie Nummern sammelt. Weißt du, was ich meine? Jedes Mal, wenn ein Zettel mit Geldscheinnummern auf ihrem Schreibtisch landet, gibt sie sie in ihren Computer ein und fügt sie der Datenbank hinzu. Auf diese Weise kann sie Querverbindungen herstellen und solchen Kram, du weißt schon. Es war ein neues Programm, das sie da hatte. Sie machte das schon ein paar Jahre und hatte eine Menge Nummern gespeichert. Weißt du was, ich könnte einen Schluck Wasser vertragen. Meine Kehle – ich rede zu viel.«
»Ich hole Danny.«
»Nein, nein, das ist nicht … weißt du was, lass einfach am Waschbecken etwas Wasser in das Ding da laufen, dann trinke ich daraus. Das reicht vollauf. Kein Grund, Danny zu holen. Ich rufe sowieso schon oft genug nach ihr.«
Ich ging ins Bad und füllte den Flachmann zur Hälfte mit Wasser aus dem Hahn. Ich schüttelte ihn und ging damit zu Cross zurück. Er trank alles. Nach einer Weile fuhr er mit seiner Geschichte fort.
»Sie meinte, eine der Nummern auf unserer Liste stünde auf der Liste von jemand anderem und das wäre vollkommen unmöglich.«
»Wie meinst du das? Das verstehe ich nicht ganz.«
»Mal sehen, ob ich es noch zusammenkriege. Sie sagte, dass einer der Hunderter auf unserer Liste eine Nummer hatte, die zu einem Hunderter aus einem Bündel Scheine gehörte, die etwa sechs Monate vor unserem Filmgeldraub bei einem Banküberfall geraubt worden waren.«
»Wo war dieser Banküberfall?«
»In Marina del Rey, glaube ich. Aber sicher bin ich mir nicht.«
»Na schön, und was soll das Problem dabei sein? Warum sollte der Hunderter aus dem früheren Bankraub nicht wieder in Umlauf gekommen, in einer Bank gelandet und dann zu den zwei Millionen geraten sein, die BankLA für die Dreharbeiten zur Verfügung stellte?«
»Das dachte ich zunächst auch, aber Jack sagte, das wäre unmöglich. Die Agentin hätte nämlich gesagt, der Typ, der den Schein ursprünglich in Marina del Rey gestohlen hatte, wurde geschnappt, und das Bündel befand sich in seinem Besitz. Er wurde eingelocht, und der Schein wurde als Beweismaterial einbehalten.«
Ich nickte und rekapitulierte noch einmal, was Cross mir gerade erzählt hatte.
»Der Sachverhalt ist also folgender: Diese FBI-Agentin hat euch darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Hunderter auf eurer Liste unmöglich zu dem geraubten Filmgeld gehört haben kann, weil er sich zum fraglichen Zeitpunkt als Beweisstück für einen Banküberfall in Marina del Rey in der Asservatenkammer befand.«
»Genau so ist es. Sie ist sogar extra hingefahren, um sich zu vergewissern, ob der Hunderter noch dort war. War er.«
Ich überlegte, was das bedeuten könnte, falls es überhaupt etwas bedeutete.
»Was habt ihr, du
Weitere Kostenlose Bücher