Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
auf der Kommode und ging hinter den Rollstuhl, um es auszuschalten.
»Harry?«, sagte er. »Wo?«
Ich stellte mich wieder vor den Rollstuhl und sah mit einem eingefrorenen Lächeln auf ihn hinab.
»Hier, direkt vor dir, Mann. Bist du jetzt wach?«
»Ja … bin wach.«
»Gut. Es gibt einiges, was ich dir erzählen muss. Und ich hab dir was mitgebracht.«
Ich ging zum Bett und machte mich daran, die Uhr, die Andre Biggar für mich eingepackt hatte, aus der Schachtel zu nehmen.
»Black Bush?«
Seine Stimme hörte sich inzwischen hellwach an. Wieder einmal bedauerte ich meine Wortwahl. Ich hielt die Uhr hoch, als ich in sein Blickfeld zurückkam.
»Ich hab dir diese Wanduhr mitgebracht. Jetzt kannst du immer sehen, wie spät es ist.«
Er blies einen Schwall Luft zwischen seinen Lippen hindurch.
»Sie wird sie einfach wieder runternehmen.«
»Ich sage ihr, dass sie das lassen soll. Keine Angst.«
Ich öffnete den Werkzeugkasten, holte den Hammer heraus und nahm aus einer Plastikbox mit allen möglichen Nägeln einen Stahlstift. Ich inspizierte die Wand links vom Fernseher und suchte eine Stelle in der Mitte aus. Direkt darunter war eine Steckdose. Ich hielt den Nagel weit oben an die Wand und schlug ihn mit dem Hammer zur Hälfte ein. Gerade als ich die Uhr daran hängte, ging die Tür auf, und Danny schaute herein.
»Was machst du denn da? Er will hier drinnen keine Uhr.«
Ich brachte die Uhr an, ließ die Arme sinken und sah sie an.
»Mir hat er gesagt, er möchte gern eine Uhr.«
Um das zu klären, sahen wir beide Law an. Seine Augen flitzten von seiner Frau zu mir und wieder zurück.
»Versuchen wir's doch eine Weile mit einer Uhr«, sagte er. »Ich wüsste gern, wie spät es ist, damit ich weiß, wann meine Sendungen anfangen.«
»Na schön«, sagte sie schroff. »Wenn du meinst.«
Sie verließ das Zimmer und schloss die Tür. Ich beugte mich vor und steckte das Stromkabel der Uhr in die Steckdose. Dann sah ich auf meine Uhr und hob den Arm, um die Wanduhr zu stellen und die Kamera einzuschalten. Als ich damit fertig war, legte ich den Hammer in den Werkzeugkasten und ließ den Verschluss zuschnappen.
»Harry?«
»Was?«, fragte ich, obwohl ich wusste, wie die Frage lauten würde.
»Hast du mir was mitgebracht?«
»Ein bisschen.«
Ich machte den Werkzeugkasten wieder auf und nahm den Flachmann heraus, den ich auf dem Parkplatz von Vendome Liquors gefüllt hatte.
»Danny meinte, du hättest einen Kater. Willst du wirklich schon wieder was?«
»Klar will ich wieder was. Gib mir einen Schluck, Harry. Ich brauche dringend einen.«
Ich machte es genau so wie am Tag zuvor, und dann wartete ich, ob er merkte, dass ich den Whiskey verdünnt hatte.
»Ah, das tut gut, Harry. Gib mir noch einen, ja?«
Das tat ich, und dann machte ich den Flachmann zu. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich diesem gebrochenen Mann zu der einzigen Freude verhalf, die er im Leben noch zu haben schien.
»Hör zu, Law, ich bin hier, um dir verschiedenes zu erzählen. Ich glaube, bei meinen Nachforschungen habe ich in ein richtiges Wespennest gestochen.«
»Wieso? Was ist passiert?«
»Ich habe versucht, diese Agentin ausfindig zu machen, die Jack Dorsey wegen der Geldscheinnummern angerufen hat. Du weißt schon, wegen dieses Problems.«
»Ja, ja, ich weiß. Hast du sie gefunden?«
»Nein, Law, leider nicht. Die Agentin war Martha Gessler. Sagt dir der Name was?«
Sein Blick wanderte über die Decke, als befänden sich dort seine Datenbanken.
»Nein, sollte er das?«
»Ich weiß nicht. Sie wird vermisst. Schon seit drei Jahren. Und zwar ziemlich genau seit dem Zeitpunkt, als sie Jack anrief.«
»Ach du Scheiße, Harry.«
»Ja. Deshalb wurden sie beim FBI auch gleich ganz hektisch, als ich anrief, um der Sache mit dem Anruf damals nachzugehen.«
»Meinst du, sie wollen herkommen, um mit mir zu reden?«
»Das weiß ich nicht. Jedenfalls weißt du jetzt Bescheid. Würde mich zumindest nicht wundern, wenn sie angerückt kämen. Irgendwie läuft das Ganze auf der Terrorismusschiene. Dafür ist jetzt eine dieser Abteilungen zuständig, die nach dem elften September ins Leben gerufen wurden. Und ich habe gehört, diese Typen fackeln nicht lange und lesen die Vorschriften erst hinterher.«
»Ich will nicht, dass die hier anrücken, Harry. Was hast du da ins Rollen gebracht?«
»Tut mir Leid, Law. Falls sie wirklich kommen sollten, lässt du sie einfach ihre Fragen stellen und beantwortest sie, so
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