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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Vier-Punkt-Verriegelung versehen. Auf den rostigen Stahl gepinselte Pfeile zeigten an, in welche Richtung man die Griffe bewegen musste, um die Luke zu entriegeln. Bosch ging den Gang hinunter und sah in jedes Abteil. Alle waren leer und offensichtlich schon länger nicht mehr zur Lagerung von Fisch verwendet worden. Der Boden jedes der mit Stahlwänden versehenen, fensterlosen Abteile war von leeren Cornflakes-Schachteln, Lebensmittelpackungen und Trinkwasserflaschen übersät. Aus hölzernen Steigen quollen weitere Abfälle. An Wandhaken waren zu Hängematten umfunktionierte Fischernetze befestigt. Aus jedem Abteil schlug Bosch ein fauliger Geruch entgegen, der jedoch nicht von dem Fisch herrührte, der dort einmal gelagert worden war. Dieses Boot beförderte menschliche Fracht.
    Am meisten beunruhigten Bosch die Cornflakes-Packungen. Alle waren von derselben Sorte, und von der Vorderseite jeder Packung lächelte ein Comic-Pandabär, der auf dem Rand einer Schale mit einem Schatz zuckerglitzernder Reis-Crispys stand. Es waren Frühstücksflocken für Kinder.
    Als Letztes kam Bosch zu der offenen Luke. Er ging in die Hocke und schwang sich mit einer flüssigen Bewegung in das Abteil dahinter.
    Es war ebenfalls leer.
    Aber es war anders. Hier gab es keinen Müll. Von einem Haken in der Decke hing an einem Draht eine batteriebetriebene Lampe. In einer Ecke war eine umgestürzte Kiste voll mit ungeöffneten Cornflakes- und Nudelpackungen und Trinkwasserbehältern. Bosch hielt nach Hinweisen Ausschau, dass seine Tochter in dem Raum gefangen gehalten worden war, entdeckte aber keine Spur von ihr.
    Plötzlich hörte er die Angeln der Luke hinter ihm laut quietschen. Er wirbelte herum, aber die Luke war bereits scheppernd zugefallen. Er sah, wie sich der Zapfen in der rechten oberen Ecke in die ZU -Stellung drehte, und stellte gleichzeitig fest, dass die Griffe auf der Innenseite entfernt worden waren. Er saß in der Falle. Er zog die zweite Pistole und wartete, beide Waffen auf die Tür gerichtet, dass sich der nächste Riegel zu drehen begann.
    Es war der rechte untere. Sobald sich der Riegel zu bewegen begann, zielte Bosch und schoss mit beiden Pistolen mehrere Male auf die Tür. Die Kugeln drangen durch das von jahrelanger Korrosion zerfressene Metall, und auf der anderen Seite schrie jemand überrascht oder verletzt auf. Dann ertönte ein dumpfer Knall, als wäre ein menschlicher Körper zu Boden gefallen.
    Bosch stellte sich an die Tür und versuchte, den rechten oberen Zapfen mit der Hand zu drehen. Der war jedoch zu klein, als dass seine Finger daran Halt finden konnten. In seiner Verzweiflung machte Bosch einen Schritt zurück und warf sich in der Hoffnung, die Verriegelung sprengen zu können, mit der Schulter gegen die Tür. Aber sie gab nicht nach und fühlte sich so stabil an, dass nicht daran zu denken war, sie auf diese Weise aufzubekommen.
    Er war eingesperrt.
    Er legte ein Ohr an die Tür, um zu lauschen. Es war nur noch das Brummen der Bootsmotoren zu hören. Er drosch mit dem Griff einer der Pistolen gegen die Metallluke und brüllte: »Maddie? Bist du hier, Maddie?«
    Keine Antwort. Er schlug wieder gegen die Tür, diesmal noch lauter.
    »Gib mir ein Zeichen, Schatz. Mach irgendein Geräusch, wenn du hier bist!«
    Wieder erhielt er keine Antwort. Bosch zog sein Handy aus der Tasche und öffnete es, um Sun anzurufen. Aber er sah, dass er keinen Empfang hatte. Er versuchte es trotzdem, aber es ging nicht. Weil der Raum vollständig von Metall umschlossen war, funktionierte das Handy nicht.
    Bosch drehte sich um und hämmerte erneut gegen die Tür und schrie den Namen seiner Tochter.
    Es kam keine Antwort. Niedergeschlagen ließ er seine schweißüberströmte Stirn gegen die verrostete Tür sinken. Er saß in diesem Metallkasten fest, gefangen mit der Einsicht, dass seine Tochter gar nicht auf dem Boot war. Er hatte versagt und bekommen, was er verdiente, was er sich selbst eingebrockt hatte.
    Seine Brust durchfuhr ein brennender Schmerz, der seinen seelischen Qualen in nichts nachstand. Scharf, tief und unbarmherzig. Schwer atmend lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Luke. Er öffnete seinen Hemdkragen einen Knopf weiter und rutschte an dem verrosteten Metall nach unten, bis er mit angezogenen Knien auf dem Boden zu sitzen kam. Ihm wurde bewusst, dass an diesem Ort die gleiche klaustrophobische Enge herrschte wie in den unterirdischen Gängen, in denen er einmal unterwegs gewesen war. Die Batterie der

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