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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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ziemlich weit einengen können«, sagte er. »Und wenn ich die ungefähre Lage weit genug eingrenzen kann, finde ich die Stelle auch.«
    »Also, ich kann dir jetzt schon sagen, bei den zwei Buchstaben handelt es sich um das Canon-Logo.«
    »Meinst du von Canon, der Kamerafirma? Wo?«
    Sie deutete auf Kowloon in der Ferne. Bosch schaute wieder durch das Fernglas.
    »Ich sehe es ständig, wenn ich auf dem Weg zum Casino über den Hafen fliege. Auf der Kowloon-Seite ist ein riesiges Canon-Logo. Einfach nur das Wort CANON . Es ist freistehend oben auf einem Hausdach angebracht und dreht sich. Wenn das Zeichen also dem Hafen zugewandt ist und du hinter ihm in Kowloon bist, siehst du es von der Rückseite und somit spiegelverkehrt. Aber wenn es gespiegelt wird, siehst du es wieder richtig, und das ist hier der Fall.«
    Sie tippte auf das
O-N
auf dem Ausdruck.
    »Ja, aber wo ist es? Ich kann es nirgendwo sehen.«
    »Gib mal her.«
    Er reichte ihr das Fernglas.
    Sie hob es an die Augen und sagte: »Normalerweise ist es beleuchtet, aber wahrscheinlich schalten sie es ein paar Stunden vor Tagesanbruch aus, um Energie zu sparen. Viele Reklamen sind im Moment aus.«
    Sie ließ das Fernglas sinken und sah auf die Uhr.
    »Noch etwa fünfzehn Minuten, dann müsste es zu sehen sein.«
    Bosch nahm das Fernglas wieder an sich und begann, erneut nach dem Zeichen zu suchen.
    »Irgendwie, finde ich, verschwenden wir hier nur unsere Zeit.«
    »Keine Angst. Gleich geht die Sonne auf.«
    Bosch, in seinem Tatendrang gebremst, senkte widerwillig das Fernglas und beobachtete in den nächsten zehn Minuten, wie das Licht über die Berge in das Becken kroch.
    Rosa und grau stieg der Morgen empor. Im Hafen herrschte bereits reges Leben, und die Arbeitsboote und Fähren glitten wie in einer intuitiven Choreographie kreuz und quer über das Wasser. An die Hochhäuser in Central Hongkong und Wan Chai sowie in Kowloon auf der anderen Seite des Hafens klammerte sich eine tiefhängende Dunstschicht. Es roch nach Rauch.
    »Dieser Geruch erinnert mich an L.A. nach den Unruhen«, sagte Bosch. »Als würde die Stadt brennen.«
    »In gewisser Weise tut sie das auch«, bemerkte Eleanor. »Wir befinden uns gerade mitten im Yue Laan.«
    »Aha, und was ist das?«
    »Das Geisterfest. Es hat letzte Woche begonnen. Es richtet sich nach dem chinesischen Kalender. Es heißt, am vierzehnten Tag des siebten Mondmonats öffnen sich die Pforten der Hölle, und alle bösen Geister brechen über die Welt herein. Deshalb verbrennen die Menschen Opfergaben, um ihre Ahnen zu besänftigen und die bösen Geister abzuwehren.«
    »Was für Opfergaben?«
    »Hauptsächlich Papiergeld- und Pappmaché-Nachbildungen von Dingen wie Flachbildschirmen, Häusern und Autos. Dinge, die die Geister angeblich im Jenseits brauchen. Manchmal verbrennen die Leute nicht nur Nachbildungen, sondern die Dinge selbst.«
    Sie lachte, dann fuhr sie fort: »Ich habe mal jemanden eine Klimaanlage verbrennen sehen. Wahrscheinlich wollte er einem Ahnen eine Klimaanlage in die Hölle schicken.«
    Bosch fiel ein, dass ihm auch seine Tochter einmal von diesem Brauch erzählt hatte und dass sie jemanden ein ganzes Auto hatte verbrennen sehen.
    Als Bosch jetzt auf die Stadt hinabblickte, merkte er, dass das, was er für Morgennebel gehalten hatte, in Wirklichkeit der Rauch verbrannter Opfergaben war, der wie die Geister selbst in der Luft hing.
    »Sieht so aus, als gäbe es da unten jede Menge Menschen, die daran glauben.«
    »Auf jeden Fall.«
    Bosch blickte wieder in Richtung Kowloon und hob das Fernglas an seine Augen. Endlich fiel Sonnenlicht auf die Häuser auf der anderen Seite des Hafens. Er schwenkte das Fernglas hin und her, behielt aber immer die Torpfosten auf der Bank of China im Blick. Schließlich entdeckte er das Canon-Zeichen. Es befand sich auf einem modernen Hochhaus aus Glas und Aluminium, das grelle Lichtreflexionen nach allen Seiten warf.
    »Jetzt sehe ich das Zeichen«, sagte er, ohne den Blick davon abzuwenden.
    Er schätzte das Haus, auf dem es stand, etwa zwölf Stockwerke hoch. Die Buchstaben waren auf einem Metallunterbau angebracht, der das Gebäude mindestens ein Stockwerk höher machte. In der Hoffnung, irgendetwas anderes Wichtiges zu entdecken, bewegte er das Fernglas weiter hin und her. Aber nichts zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
    »Lass mich noch mal schauen«, sagte Eleanor.
    Bosch gab ihr das Fernglas, und wenig später hatte sie das Canon-Zeichen im Blick.
    »Da ist es«,

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