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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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sagte sie aufgeregt. »Und auf der anderen Straßenseite, keine zwei Straßen weiter, ist das Peninsula Hotel zu sehen. Auf seinem Dach befindet sich einer der wenigen Hubschrauberlandeplätze dort.«
    Bosch folgte ihrem Blick über den Hafen. Er brauchte eine Weile, um das Zeichen zu entdecken, das inzwischen ganz in der Sonne lag. Die Trägheit des langen Flugs fiel langsam von ihm ab. Die Wirkung des Adrenalins setzte ein.
    Nicht weit von dem Haus mit dem Canon-Zeichen führte eine breite Straße nach Norden.
    »Welche Straße ist das?«, fragte er.
    »Das muss die Nathan Road sein«, antwortete Eleanor, ohne das Fernglas abzusetzen. »Eine der Hauptverbindungen zwischen dem Hafen und den New Territories.«
    »Sind dort die Triaden aktiv?«
    »Auf jeden Fall.«
    Bosch schaute wieder in Richtung Nathan Road und Kowloon und murmelte, mehr zu sich selbst:
    »Neun Drachen.«
    »Was?«, fragte Eleanor.
    »Dort ist sie, habe ich gesagt.«

25
    B osch und seine Tochter hatten meistens die Standseilbahn zum Peak hinauf genommen. Sie erinnerte Bosch an eine schlanke und wesentlich längere Ausgabe der Angels-Flight-Bahn zu Hause in L.A., und an der Talstation war seine Tochter fast immer in den kleinen Park in der Nähe des Gerichts mit ihm gegangen und hatte dort eine tibetische Gebetsfahne aufgehängt. Die bunten Fähnchen hingen im Park wie Wäschestücke an einer Leine. Madeline hatte Bosch erklärt, eine Fahne aufzuhängen sei besser, als in einer Kirche eine Kerze anzuzünden, weil die Fahne im Freien sei und ihre guten Wünsche deshalb vom Wind weit fortgetragen werden könnten.
    Jetzt war keine Zeit, um Fahnen aufzuhängen. Sie stiegen wieder in Suns Mercedes und fuhren den Berg hinunter nach Wan Chai.
    Bosch fiel ein, dass eine der Routen nach unten direkt an dem Haus vorbeiführte, in dem Eleanor und seine Tochter wohnten.
    Bosch beugte sich vom Rücksitz nach vorn.
    »Eleanor, lass uns vorher noch bei dir vorbeifahren.«
    »Warum?«
    »Ich habe vergessen, dir zu sagen, dass du Madelines Pass mitbringen sollst. Deinen auch.«
    »Warum?«
    »Weil das noch nicht zu Ende sein wird, wenn wir sie wiederhaben. Dann möchte ich euch erst mal beide von hier wegbringen.«
    »Und wie lange?«
    Sie hatte sich umgedreht und sah ihn vom Beifahrersitz an. Er sah die Vorwürfe in ihrem Blick. Eigentlich hatte er diesen Punkt gar nicht anschneiden wollen, damit sie ganz auf die Rettung ihrer Tochter konzentriert bliebe.
    »Ich weiß nicht, wie lange. Lass uns einfach die Pässe holen. Nur für den Fall, dass wir später nicht mehr dazu kommen.«
    Eleanor wandte sich Sun zu und sagte in scharfem Ton etwas auf Chinesisch. Er fuhr sofort an den Straßenrand und hielt an. Hinter ihnen kamen keine Autos den Berg herunter. Dafür war es noch zu früh. Sie drehte sich ganz um und sah Bosch an.
    »Wir werden die Pässe holen«, sagte sie ruhig. »Aber bilde dir bloß nicht ein, dass wir mit dir kommen, wenn wir untertauchen müssen.«
    Bosch nickte. Das Zugeständnis, dass sie dazu bereit wäre, genügte ihm.
    »Dann solltest du vielleicht auch schon zwei Koffer für euch packen und ins Auto bringen.«
    Ohne zu antworten, drehte sie sich wieder nach vorn. Nach einer Weile schaute Sun zu ihr hinüber und sagte etwas auf Chinesisch. Sie antwortete mit einem Nicken, und Sun fuhr wieder los, weiter den Berg hinunter. Bosch wusste, dass sie täte, worum er sie gebeten hatte.
    Fünfzehn Minuten später hielt Sun vor den zwei Hochhäusern an, die im Volksmund »The Chopsticks« hießen – die Essstäbchen. Und Eleanor, die in diesen fünfzehn Minuten kein Wort gesagt hatte, reichte Bosch einen Ölzweig.
    »Willst du mit hochkommen? Du kannst ja Kaffee machen, während ich packe. Du siehst jedenfalls aus, als könntest du einen vertragen.«
    »Ein Kaffee wäre nicht schlecht, aber wir haben nicht so viel …«
    »Es ist Pulverkaffee.«
    »Na dann.«
    Sun blieb beim Auto zurück, und Bosch und Eleanor fuhren nach oben. Die »Essstäbchen« waren eigentlich zwei miteinander verbundene ovale Hochhäuser, die auf halber Höhe des Berghangs über Happy Valley dreiundsiebzig Stockwerke hoch aufragten. Sie waren das höchste Wohnhaus Hongkongs und standen wie zwei in einer Schale Reis steckende Stäbchen aus der Skyline der Stadt. Eleanor und Madeline hatten dort eine Wohnung bezogen, als sie sechs Jahre zuvor aus Las Vegas nach Hongkong gekommen waren.
    Bosch hielt sich am Geländer fest, als sie im Schnellaufzug nach oben fuhren. Ihm war nicht

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