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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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zerknitterten Anzügen schlurften nach einer Nacht voller Alkohol und Drogen über die Gehsteige. Neben den roten Taxis stand in zweiter Reihe der eine oder andere Rolls-Royce oder Mercedes und wartete im Leerlauf darauf, dass drinnen das Geld ausging und endlich die Heimfahrt begann.
    Vor fast jedem Etablissement stand ein Ascheeimer, um für die hungrigen Geister Opfergaben zu verbrennen. Aus vielen züngelten Flammen. Vor einem Club, der Red Dragon hieß, sah Bosch eine Frau in einem seidenen Morgenmantel mit einem roten Drachen auf dem Rücken offensichtlich echte Hongkong-Dollars in das Feuer streuen, das in dem Kübel vor dem Club brannte. Vermutlich wollte sie auf Nummer sicher gehen. Wenn schon den Geistern opfern, dann richtig.
    Obwohl die Autofenster geschlossen waren, drang der Geruch von Feuer und Rauch, vermischt mit dem Aroma gebratener Lebensmittel, ins Wageninnere. Plötzlich stieg Bosch ein brutaler Gestank in die Nase, den er nicht identifizieren konnte. Am ehesten erinnerte er ihn an die Geruchskiller, die er in der Rechtsmedizin hin und wieder zu riechen bekam, und er begann durch den Mund zu atmen. Eleanor klappte die Sonnenblende nach unten, um ihn im Schminkspiegel anzusehen.
    »Das ist
Gway lang go.
«
    »Was?«
    »Schildkrötenpanzergelee. Es wird hier morgens immer gekocht. Sie verkaufen es in den Apotheken.«
    »Ganz schön heftig.«
    »So kann man es auch ausdrücken. Wenn du den Geruch schon schlimm findest, dann solltest du das Zeug erst mal einnehmen. Heilt angeblich alles, egal, woran man leidet.«
    »Lieber nicht.«
    Zwei Straßen weiter wurden die Clubs kleiner und schäbiger. Die Neonreklamen waren greller und bunter und wurden meistens von beleuchteten Schaukästen mit den Fotos schöner Frauen begleitet, die angeblich im Innern warteten. Sun parkte direkt an der Kreuzung in zweiter Reihe neben dem Taxi, das an der Spitze der Schlange stand. An drei Ecken der Kreuzung befand sich je ein Club. An der vierten war eine Garküche, die bereits brechend voll war.
    Sun schnallte sich ab und öffnete die Tür. Bosch wollte ebenfalls aussteigen.
    »Harry«, sagte Eleanor.
    Sun drehte sich zu Bosch um.
    »Sie kommen nicht.«
    Bosch sah ihn an.
    »Warum nicht? Ich habe Geld.«
    »Kein Geld«, sagte Sun. »Sie warten hier.«
    Er stieg aus und schloss die Tür. Bosch zog seine Tür wieder zu und blieb im Auto sitzen.
    »Und was jetzt?«
    »Sun Yee besorgt dir von einem Freund die Pistole. Aber nicht für Geld.«
    »Wofür dann?«
    »Für einen Gefallen.«
    »Ist Sun Yee in einer Triade?«
    »Nein. Dann hätte er den Job im Casino nicht bekommen. Und ich wäre nicht mit ihm zusammen.«
    Dass den Casinojob ein Triadenmitglied nicht bekommen könnte, bezweifelte Bosch. Manchmal lernte man den Feind am besten kennen, wenn man ihn für sich arbeiten ließ.
    »
War
er in einer Triade?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Die lassen einen nicht einfach aussteigen.«
    »Aber die Pistole bekommt er von einem Triadentyp?«
    »Auch das weiß ich nicht. Hör zu, Harry, wir besorgen dir die Pistole, die du haben wolltest. Was soll auf einmal diese blöde Fragerei? Willst du sie oder nicht?«
    »Ja, ich will sie.«
    »Dann tun wir, was nötig ist, um sie zu bekommen. Und nur damit das klar ist: Sun Yee setzt dabei seinen Job und seine Freiheit aufs Spiel. Die Waffengesetze hier sind sehr streng.«
    »Alles klar. Keine weiteren Fragen. Einfach nur danke, dass ihr mir helft.«
    In dem Schweigen, das darauf folgte, konnte Bosch gedämpfte, aber stampfende Musik aus einem oder vielleicht auch aus allen dreien der Clubs kommen hören. Durch die Windschutzscheibe beobachtete er, wie Sun auf drei Männer in Anzügen zuging, die vor einem Club auf der anderen Seite der Kreuzung standen. Wie in fast allen Etablissements in Wan Chai war das Schild davor chinesisch und englisch beschriftet. Das Lokal hieß Yellow Door. Sun sprach kurz mit den Männern, dann öffnete er beiläufig sein Jackett, damit sie sehen konnten, dass er unbewaffnet war. Einer der Männer tastete ihn rasch, aber kompetent ab, und Sun durfte durch die sinnigerweise gelbe Tür eintreten.
    Sie warteten fast zehn Minuten. Eleanor sagte die ganze Zeit so gut wie nichts. Bosch wusste, sie hatte furchtbare Angst um ihre Tochter und ärgerte sich über seine Fragen, aber er musste mehr erfahren, als er bisher wusste.
    »Werde jetzt bitte nicht gleich sauer, Eleanor. Lass mich nur Folgendes sagen: Wie es bisher aussieht, haben

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