Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
haben?«
»Damals gab es ja noch keine Handys. Deshalb bin ich nach drinnen gerannt und habe von dem Apparat hinter der Bühne die Polizei verständigt.«
»Und die Polizei ist schnell gekommen?«
»Ja, extrem schnell sogar. Als ob sie schon nach ihr gesucht hätten.«
»Eine letzte Frage, Mr. Johnson. War dieser Müllcontainer vom Wilshire Boulevard aus zu sehen?«
Johnson schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, er stand hinter dem Theater, und deshalb konnte man ihn nur sehen, wenn man durch die Durchfahrt nach hinten fuhr.«
An dieser Stelle zögerte ich. Ich musste noch mehr aus dem Zeugen herausholen. Details, die beim ersten Prozess nicht zur Sprache, aber dank Boschs nachträglicher Ermittlungen zutage gekommen waren. Es waren Details, von denen Royce möglicherweise nichts wusste. Jetzt hatte ich die Wahl. Entweder fragte ich Johnson einfach danach, oder ich ließ es darauf ankommen und wartete ab, ob mir die Verteidigung beim Kreuzverhör eine Tür öffnete. Der Informationsgehalt wäre in beiden Fällen der gleiche, aber größeres Gewicht hätte das Ganze, wenn die Geschworenen den Eindruck gewannen, die Verteidigung hätte es zu verheimlichen versucht.
»Danke, Mr. Johnson«, sagte ich schließlich. »Ich habe keine weiteren Fragen.«
Der Zeuge wurde Royce übergeben, der zum Pult ging, während ich mich setzte.
»Nur ein paar Fragen«, begann er. »Haben Sie gesehen, wer die Leiche des Opfers in die Mülltonne gelegt hat?«
»Nein«, antwortete Johnson.
»Als Sie bei der Polizei anriefen, hatten Sie also keine Ahnung, wer es gewesen war. Ist das richtig?«
»Das ist richtig.«
»Haben Sie den Angeklagten vor dem fraglichen Tag schon einmal gesehen?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Danke.«
Und damit hatte es sich. Royce’ Kreuzverhör war typisch für einen Fall, in dem es die Verteidigung mit einem Zeugen zu tun hatte, der wenig hergab. Johnson konnte den Mörder nicht identifizieren, und das ließ Royce zu Protokoll nehmen. Aber dabei hätte er es belassen sollen. Mit der Frage, ob Johnson Jessup schon vor dem Mord einmal gesehen habe, öffnete er mir eine Tür. Ich stand bereit, um durch sie hindurchgehen zu können.
»Möchten Sie den Zeugen noch einmal befragen, Mr. Haller?«, fragte die Richterin.
»Ja, ganz kurz, Euer Ehren. Mr. Johnson, haben Sie in der Zeit, von der hier die Rede ist, oft sonntags gearbeitet?«
»Nein, normalerweise hatte ich da immer frei. Aber wenn irgendetwas Besonderes anstand, musste ich auch sonntags ins Theater kommen.«
Royce legte Einspruch ein, mit der Begründung, ich schnitte ein neues Thema an, das den Rahmen seines Kreuzverhörs sprenge. Ich versicherte der Richterin, dass sich das Ganze sehr wohl im Rahmen halten würde und dass dies auch in Kürze ersichtlich würde. Sie zeigte Nachsicht und gab dem Einspruch nicht statt. Ich wandte mich wieder Mr. Johnson zu. Ich hatte gehofft, dass Royce Einspruch einlegen würde, denn schon in Kürze entstünde dadurch der Anschein, als hätte er mich daran zu hindern versucht, für Jessup nachteilige Informationen zu erhalten.
»Sie haben erwähnt, dass die Mülltonne, in der Sie die Leiche gefunden haben, am Ende einer Durchfahrt stand. Gibt es hinter dem El Rey Theatre denn keinen Parkplatz?«
»Es gibt schon einen Parkplatz, aber er gehört nicht dem El Rey Theatre. Wir haben nur die Durchfahrt, über die wir Zugang zu den Hintereingängen und den Mülltonnen haben.«
»Wem gehört der Parkplatz?«
»Einer Firma, die überall in der Stadt Parkplätze hat. Sie heißt City Park.«
»Ist dieser Parkplatz durch eine Mauer oder einen Zaun von der Durchfahrt getrennt?«
Royce stand erneut auf.
»Euer Ehren, das nimmt ja kein Ende, und es hat nichts mit dem zu tun, was ich Mr. Johnson gefragt habe.«
»Euer Ehren«, erklärte ich. »Dazu komme ich nach zwei weiteren Fragen.«
»Sie können antworten«, verfügte Breitman.
»Es gibt einen Zaun«, sagte Johnson.
»Das heißt«, sagte ich, »von der Durchfahrt des El Rey und von der Stelle, wo die Mülltonne steht, kann man den angrenzenden Parkplatz sehen, und umgekehrt kann man von dem angrenzenden Parkplatz die Mülltonne sehen, richtig?«
»Ja.«
»Und haben Sie vor dem Tag, an dem Sie die Leiche entdeckt haben, schon einmal an einem Sonntag gearbeitet und mitbekommen, dass der Parkplatz hinter dem Theater benutzt wurde?«
»Ja, ungefähr einen Monat davor musste ich ebenfalls an einem Sonntag im Theater arbeiten, und da standen viele Autos
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