Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
solange es nicht bestätigt war, dass dort tatsächlich eine Leiche lag und dass es die des kleinen Mädchens war.«
»Daraufhin sind Sie also mit Donovan zum El Rey Theatre gefahren?«
»Ja, und Detective Kloster kam auch mit. Wir haben uns dort mit dem stellvertretenden Leiter der Rechtsmedizin getroffen. Da wir es inzwischen mit einem Mord zu tun hatten, wurden außerdem zusätzliche Kriminaltechniker angefordert.«
Der das El Rey betreffende Teil von Gordons Aussage diente mir in erster Linie als eine Gelegenheit, weitere Videos und Fotos des Opfers zu zeigen. Wenn sonst schon von nichts, sollte zumindest jeder Geschworene auf der Bank von den gezeigten Bildern berührt werden. Ich wollte das Feuer eines Urtriebs entfachen. Rache.
Ich zählte darauf, dass Royce Einspruch einlegen würde, was er prompt tat. Aber mittlerweile hatte er seinen Kredit bei der Richterin verspielt, und sein Einwand, die Bilder seien drastisch und übertrieben zahlreich, traf auf taube Ohren. Die Fotos wurden zugelassen.
Zum Schluss brachte uns Izzy Gordon an den letzten Tatort – das Abschleppauto – und schilderte uns, wie sie in dem Spalt, der die Sitzbank teilte, drei lange Haare entdeckte und Donovan auf sie aufmerksam machte.
»Was geschah mit diesen Haaren?«, fragte ich.
»Sie wurden einzeln in Tüten verpackt und etikettiert und dann zur Analyse in die Scientific Investigation Division gebracht.«
Gordons Einvernahme verlief zügig und reibungslos. Als ich die Zeugin an die Verteidigung übergab, tat Royce das Einzige, was ihm zu tun blieb. Er machte sich erst gar nicht die Mühe, die Beschaffung der Beweisstücke anzufechten, sondern versuchte lediglich, erneut die Fundamente für die Theorie der Verteidigung zu legen. Deshalb ging er auf die ersten zwei Tatorte erst gar nicht ein, sondern schoss sich sofort auf den Abschleppwagen ein.
»Ms. Gordon, waren bereits Polizisten auf dem Firmengelände von Aardvark, als Sie dort eintrafen?«
»Ja, natürlich.«
»Wie viele?«
»Gezählt habe ich sie nicht, aber es waren einige.«
»Auch Detectives?«
»Ja, es waren auch Detectives da. Sie hatten bereits einen Durchsuchungsbeschluss und durchsuchten das ganze Betriebsgelände.«
»Und waren die Detectives, die Sie dort gesehen haben, auch an den anderen Tatorten?«
»Ich glaube schon, ja. Das nehme ich jedenfalls an, aber genau erinnern kann ich mich daran nicht.«
»Aber an andere Dinge scheinen Sie sich genau erinnern zu können. Warum können Sie sich nicht daran erinnern, mit welchen Detectives Sie zusammengearbeitet haben?«
»Mit dem Fall waren mehrere Personen befasst. Detective Kloster leitete die Ermittlungen, aber er hatte es mit drei verschiedenen Tatorten zu tun, und dazu kam auch noch das Mädchen, das die Entführung beobachtet hatte. Ich erinnere mich nicht mehr, ob er auf dem Firmengelände war, als ich dort eintraf, aber irgendwann war er auf jeden Fall dort. Ich glaube, wenn Sie in den Anwesenheitsprotokollen der Tatorte nachsehen, können Sie genau rekonstruieren, wer wann an welchem Tatort war.«
»Aha. Dann werden wir jetzt genau das tun.«
Royce ging zum Zeugenstand und gab Gordon drei Dokumente und einen Bleistift. Dann kehrte er ans Pult zurück.
»Worum handelt es sich bei diesen drei Dokumenten, Ms. Gordon?«
»Das sind Tatortanwesenheitsprotokolle.«
»Und für welche Tatorte?«
»Für die drei, an denen ich beim Landy-Fall zu tun hatte.«
»Wären Sie bitte so gut, diese Protokolle durchzusehen und mit dem Bleistift, den ich Ihnen gegeben habe, jeden Namen einzukreisen, der auf allen drei Listen steht.«
Gordon brauchte weniger als eine Minute.
»Fertig?«, fragte Royce.
»Ja. Es sind vier Namen.«
»Würden Sie sie uns bitte nennen?«
»Ja. Ich selbst und mein Supervisor, Art Donovan, und dann noch Detective Kloster und sein Partner, Chad Steiner.«
»Sie waren also die einzigen vier, die an diesem Tag an allen drei Tatorten waren, richtig?«
»Das ist richtig.«
Maggie beugte sich zu mir und flüsterte:
»Tatortkontamination.«
Ich schüttelte kaum merklich den Kopf und flüsterte zurück:
»Das liefe auf eine versehentliche Kontamination hinaus. Ich glaube, ihm geht es um ein absichtliches Unterschieben von Beweismitteln.«
Maggie nickte und lehnte sich wieder zurück.
Royce stellte die nächste Frage. »Da Sie eine von lediglich vier Personen waren, die an allen drei Tatorten waren, verfügten Sie über sehr umfassende Kenntnisse über diese Straftat und was sie
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